Shannon-Forum

Autor Thema: "Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"  (Gelesen 6657 mal)

Offline bádoir

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"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« am: 06.03.2005, 15:05 »
(Nein, das ist kein Kochrezept!)


Eingeschworenen  Shannon-Fans  droht Ungemach. Denn ich entführe sie in
den  fernen  Osten.  Nicht gleich ins Reich der Dschunken, wie der mög-
licherweise  irreführende  Titel  vermuten läßt, aber doch immerhin fast
über  den 007. Längengrad hinaus bis an den Barrowkanal. Dort gibt es,
zwischen  der 21. und 22. Schleuse, in der Nähe von Cloncumber in einer
kleinen  Ausbuchtung, ein wunderschönes Plätzchen zum Pause machen oder
zum  Übernachten. Hier liegt der Kanal ziemlich hoch über dem Land, so-
daß man einen prächtigen Ausblick hat, und ein stattlicher Baum schützt
das Boot vor der sengenden irischen Sonne. Kurz gesagt, an diesem Platz
muß man einfach die mooring posts hervorholen und festmachen. Ich brin-
ge  es  einfach  nicht  fertig, hier vorbeizufahren. (53°15,162 N  006° 54,160'E)

Auch diesmal nicht, auf dem Weg von Robertstown nach Rathangan. Das ist
keine ehrgeizige Etappe, sodaß viel Zeit für Kaffepause und Wanderungen
übrig  bleibt. So gab es ein klassisches bankmooring, und die hier all-
gegenwärtigen  Kühe  schauten neugierig zu. Nachdem alles fest war, zog
ich  mich  in die Kombüse zurück und bereitete eine gepflegte Tasse Ma-
xell's  Instant  Coffee mit einem gehörigen Schuß Bayley's. (Nur unver-
besserliche  Ignoranten  verschwenden ihre kostbare Urlaubszeit mit der
Suche nach Läden, die Kaffeesahne und Filter verkaufen  :)  ).

Kaum  saß ich, um mich dieser famosen Variante von Irish Coffee zu wid-
men,  da  rappelte  etwas am Boot. Irgendjemand schien an den Leinen zu
zupfen.  "Irgendjemand"  war eine Kuh, die Gefallen an den orangefarben
Leinen  fand  und,  assistiert  von ihren Kolleginnen, den mooring post
schon halb hinausgezogen hatte. Nun ist eine helfende Hand beim Ablegen
nach  bankmooring durchaus willkommen, aber bei dieser Odie- mäßig sab-
bernden  Spezies  habe  ich doch hygienische Bedenken. Obendrein wollte
ich noch gar nicht los.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Pfosten ganz herausgezogen war
und  das  Heck frei in den Kanal hineintreiben würde. Nein, so ging das
nicht  weiter. Es mußte was getan werden, um den Kühen das Spielchen zu
verleiden. Verscheuchen weckte die Neugierde erst recht, irgendwie muß-
te  ich  dafür  sorgen,  daß ihnen der Geschmack an den Leinen verging.
Jedwede  Flüssigkeiten  aus der Bilge schieden aus Leinen-, Umwelt- und
Tierschutzgründen  aus. So konzentrierte ich meine Suche auf die Kombü-
se. Salz wirkt auf Kühe bekanntlich wie eine Droge, hätte sie also erst
recht  angezogen.  Und  der  vorhandene Pfeffer hätte sich den Hochsee-
schifferschein  verdient,  weil er die geforderten 1000 Seemeilen schon
hinter  sich  hatte. Da verbarg sich im hintersten Eck des Schapps eine
fast  volle  Tabasco-Flasche.  Tabasco ist das Zeugs, mit dem die Amis,
pardon, unsere Verbündeten aus den USA, dem, was sie als Essen bezeich-
nen,  den letzten Rest von Genießbarkeit nehmen. Mit diesem Wissen aus-
gestattet,  kam  ich zu dem Schluß, daß die Brühe zwar höllisch scharf,
aber körperlich unschädlich ist.

Und so brachte ich den ganzen Inhalt der Flasche sorgfältig, daß nichts
danebengeht, auf die interessantesten Leinenabschnitte auf.

Teuflisch grinsend begab ich mich wieder unter Deck.

Kaum  hatte  ich  meinen  Ausguck bezogen, näherte sich schon die erste
Kuh. Normalerweise sind sie Unbekanntem gegenüber recht vorsichtig, al-
les  wird  erst  mal beschnuppert. Aber die Leine war ja schon bekannt,
und  so  gab  es  gleich einen herzhaften Biß. Wie vom Blitz getroffen,
ging sie mit den Vorderbeinen in die Knie und versuchte das Problem mit
Husten  und Niesen in den Griff zu bekommen. Das half natürlich nichts.
So richtete sich wieder auf, streckte sich und verwandelte sich optisch
und akustisch in einen röhrenden Hirsch. Es fehlte nur noch das Matter-
horn  im Hintergrund. Dabei kam ihr die Erleuchtung, daß ja ausreichend
Wasser zum Trinken in der Nähe war und saugte das Wasser mit einer Gier
aus  dem  Kanal, daß ich schon fast befürchtete, mit dem Boot aufzusit-
zen.

Kuh  Nummer  2 biß ebenso sorglos in die Leine, aber reagierte ganz an-
ders. Wie ein Kalb, das im Frühjahr zum ersten Mal auf die Weide kommt,
machte  sie  Bocksprünge. Mal ging es mit den Vorderbeinen in die Höhe,
mal  mit  den Hinterbeinen, sodaß der Dreck davonstob. Für einen Moment
schaffte  sie es auch, mit allen Vieren in der Luft zu sein. Nachdem so
die unvermutet geschluckte Energie verbraucht war, begab sie sich eben-
falls ins Wasser, um den Spiegel noch weiter abzusenken.

Kuh  Nummer  3,  die das Ganze neugierig beobachtet hat, war wohl etwas
skeptisch  geworden.  Jedenfalls  streckte  sie vorsichtig die Nase zur
Leine  vor, bis sie sie berührte. Offensichtlich brennt Tabasco auch in
Kuhnasen,  denn  sie  zuckte zurück, als wenn sie einen Elektrozaun be-
rührt hätte und trollte sich schnaubend und niesend davon.

Auch  Kuh Nr. 4 schnupperte erst vorsichtig, erwischte aber anscheinend
eine  schon abgeleckte Stelle, und machte sich daraufhin sorglos daran,
das  Leinenende aufzuziehen. Allerdings nur für den Bruchteil einer Se-
kunde ....

Jetzt erst zeigte der Lernprozeß Wirkung. Jedenfalls stand der Rest der
Herde  unschlüssig um die "heiße Stelle" herum, ohne es nochmal zu ver-
suchen.  Der Kluge lernt aus schlechter Erfahrung, so heißt es, und der
Weise  aus  der schlechten Erfahrung der anderen. Der Gesichtsausdruck,
mit  dem  die  Kühe  hier  herumstanden, ließ sich allerdings weder mit
"klug" noch mit "weise" in Einklang bringen.


Auch  akustisch  war  die Vorstellung übrigens sehr ergiebig. Im Allgäu
aufgewachsen,  glaubte  ich,  mit  den  Lautäußerungen des Europäischen
Hausrinds  hinlänglich  vertraut  zu sein. Von wegen. Über das bekannte
Muuuh hinaus gab es auch Müüüh, Möööh, Määäh, ja sogar ein leicht modu-
liertes "Mujujujuuh" war drin.

Ein  bißchen  schlechtes  Gewissen  hatte  ich im Nachhinein allerdings
schon, und so möchte ich aus tierschützerischen Gründen hinzufügen, daß
die  Tabascosauce  grob  überdosiert  war.  Es hätten wirklich ein paar
Tropfen  genügt,  um  die Kühe abzuhalten, und das war ja der Zweck des
ganzen.  Und in der Gegend von Cloncumber braucht ihr auf dieses Mittel
ohnehin nicht zurückgreifen. Dort rührt keine Kuh mehr eine Leine an!!
 
« Letzte Änderung: 06.03.2005, 15:12 von bádoir »

Offline Mayo

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #1 am: 06.03.2005, 17:13 »
 :) :D ;D
DAS war genau die Art Geschichte, die jetzt gebraucht habe!
Danke !
Liebe Grüße von einem der "unverbesserlichen Ignoranten", die Instantkaffee hassen und gute Stories lieben.  ;)
Bine
could be worse ;)

Offline Garfield

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #2 am: 07.03.2005, 09:47 »
Super Storie,

jetzt muss der Bauer nur noch die Kühe nach Amerika verkaufen. Dürfte wohl kein Problem sein, denn die Kühe sind ja schon mit Tabasco vorgewürzt. ;D ;D

Schöne Grüsse
Marc
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Offline Chris080273

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #3 am: 07.03.2005, 21:49 »
GENIAL ..... ich hab Tränen gelacht  ;D
Unser Reisebericht von 2006 jetzt unter http://www.janehegers.de/shannon

Offline Smo

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #4 am: 08.03.2005, 00:52 »
made my day
Is minic a bhris beal duine a shron.

Offline Dirk

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #5 am: 09.03.2005, 20:57 »
Fast am Ende der Geschichte habe ich nochmal nach oben geschaut und dann auch endlich verstanden was
"Qu Gang Wek" bedeutet  ;D

Das war einfach klasse !!!
Glauben heißt, nicht wissen wollen was wahr ist.

Offline Christian S.

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #6 am: 10.03.2005, 18:31 »
Servus,


ja am Sprchschatz merkt man das Gerhard halt doch ein wenig Allgäuer ist.  ;D :D ;)


Grüßle
Christian
Am See is' schee!

Offline willi 1

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #7 am: 10.03.2005, 20:50 »
Servus,
super tolle Story, selten so herzhaft gelacht. ;D

Gruß Willi


Noch 16 Tage

Offline bádoir

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Re:"Qu Gang Wek" oder "Rindfleisch extra scharf"
« Antwort #8 am: 13.03.2005, 22:29 »
Hallo Freund(inn)e(n)!

Danke für die Fanpost!
Wenn ihr wüßtet, wie lange die Story schon auf der Festplatte rotierte!
Also war´s doch gut, sie in die Freiheit des webs zu entlassen.

Zur Zeit rotieren meine Barrow-Tipps, Teil 2 von  ??......
In der gewohnt trockenen Art ;) werde ich die virtuelle Reise in Robertstown beginnen und je nach dem, wie mich St.Patrick in „seiner“ Woche inspiriert, geht es bis Rathangan, oder vielleicht nur bis----  oder bis ------ach ja, ganz wie im richtigen (Urlaubs-) leben.  ::)

Ihr ahnt es: Ich bin ein Chaot.

Hätten wir uns sonst in diesem Forum getroffen?
 ;D

Grüße
Gerhard

PS.: Gemeint ist jenes schöpferische Chaotentum, das arbeitsfreie Zeit erst zu Urlaub werden läßt !
« Letzte Änderung: 14.03.2005, 06:58 von bádoir »