Die Probleme des Nordirlandkonflikts werden wohl allen Lesern
grundsätzlich bekannt sein, doch hatte damit der Irland-Skipper früher
meist nicht aus der Nähe zu tun. Die meisten Reviere lagen in der Repu-
blik, der B&B-Canal war nur noch eine Entwässerungsrinne im Westen, und im
Osten machte der Woodford River mit den Resten der Schleusengemäuer, was
er wollte. Das Erne - Revier war, mehr noch als heute, etwas für Speziali-
sten.
Wenn man allerdings die lästige Zeit zwischen den Urlauben mit Weihnachts-
ferien in Irland auflockert, kommt man auch mal tiefer in das Land hinein.
So war es bei uns/mir schon jahrelange Tradition, in Rossinver Co. Leitrim
Urlaub im Ferienhaus zu machen. Das liegt ziemlich an der Grenze zu Nord-
irland, und gegenüber lag der Ort Garrison Co. Fermanagh.
Diese Grenze war seit 1925 nie besonders durchlässig. Es existierten re-
gelrechte Grenzübergänge wie bei uns auf dem Festland auch, mit Paßkon-
trollen und der Suche nach Schmuggelware; hier obendrein auch noch nach
Waffen. Bahnreisende auf der Strecke Enniskillen-Sligo mußten zum Teil
zu den Grenzkontrollen aussteigen.
Doch das war alles noch nichts gegen das, was sich nach der Verschärfung der
politischen Situation im Jahre 1972 getan hat. Martialisch aussehende Kontrolleure
mit MP im Anschlag durchfilzten Gepäck und Auto. Massive Schrankenbäume
zwischen Betonbarrieren, kombiniert mit versenkbaren Reifentötern zeigten
Ungeduldigen, wo es lang geht.
Diesen neuen Aufwand wollte man nicht an allen vorhandenen Grenzübergängen
betreiben, und so wurden rigoros die meisten dichtgemacht. So auch der
Übergang Rossinver-Garrison. Die Brücke über den Killkoo River wurde mit betonge-
füllten Blechtonnen vollgeladen; nicht mal ein Fußweg blieb frei. Zahlrei-
che freundschaftliche und verwandtschaftliche Verknüpfungen wurden unter-
brochen, denn der nächste Übergang in Belcoo / Blacklion bedeutete 45 km Umweg.
Nicht zu Unrecht wurde die Betonsperre auf der Brücke als "Berlin Wall"
bezeichnet, und auch hier kostete der von Ideologen und sonstigen Idioten
angestiftete Irrsinn Menschenleben.
Wollte man von DUB Airport nach Rossinver kommen, so führte damals der
nächste Weg über Enniskillen und den Grenzübergang Belcoo / Blacklion. Für Auswärtige im
Mietauto war das Abfertigungsverfahren am Schlagbaum einfacher als für
Einheimische, trotzdem war das Ganze wegen der beschriebenen Umstände al-
les andere als angenehm, und hätten die Herrschaften im dem stacheldraht-
bewehrten Wachhaus Gedanken lesen können, wäre ich bestimmt festge-
nommen worden. Aber für einen Irlandurlaub - ihr wißt es - nimmt man man-
che Unbequemlichkeit in Kauf.
So auch diesmal, an Weihnachten 1993.
Es ging schon in tiefer winterlicher Dunkelheit Richtung Belcoo, entlang
am Loch McNean, ein See, der auch bei Mondlicht immer wieder ein schöner An-
blick ist. Im Ort die gewohnte Kurve nach links, den off-license-Laden ein
weiteres Mal ignorierend, weil ich die Kontrolle in Blacklion hinter mich bringen woll-
te. Doch am Ende der Brücke, dort, wo es links Richtung Marble Arch Caves
geht, und rechts nach Manorhamilton, waren keine Schlagbäume zu sehen. Naja, haben
sie wieder umgebaut (?). Doch auch die Geschwindigkeitsbeschränkung fehlte,
trotzdem fuhr ich langsam, die Pässe bereitgelegt, auf die Grenze zu. Un-
gehindert ging es um die Rechtskurve, keine Reifenkiller leuchteten aus
dem Asphalt, ich war total verdutzt. Vorsichtig ging es weiter, ich schau-
te nach rechts, wo das stacheldrahtbewehrte Wachhaus war.....
Es war nicht mehr! An der Stelle war ein freier Platz mit einem
imposanten, hell erleuchteten Christbaum!
Obwohl ich mich natürlich auch in Deutschland für Nachrichten aus Irland
innteressiere, war mir da etwas entgangen.
Sicher war mir die Entspannung der Lage bekannt, aber an die
völlige Auflösung der Grenzposten wagte ich nicht einmal zu hoffen.
Besser konnte der Christbaum als Symbol des Friedens gar nicht stehen.
Doch es kam noch besser. Am nächsten Tag entdeckte ich, daß die Killkoo Bridge
ebenfalls freigeräumt war, und man konnte so ganz einfach von Rossinver
nach Garrison hinüberfahren. Es erschloß sich eine weitere Traumlandschaft
rund um Loch Melvin, die davor im Grenzgebiet dahinsiechenden Pubs und Lä-
den wurden renoviert, und jeder - Einwohner wie Geschäftsleute - waren
hochzufrieden mit der neuen Lage.
Und so gab es einen weiteren schönen Winterurlaub in der neu gewonnen
Freiheit hüben und drüben. Hoffen wir, daß es so bleibt. Aber denkt
daran, daß das nicht selbstverständlich ist, wenn ihr auf dem Woodford
die nun imaginäre Grenze überfährt.
Damit wünscht euch allen schöne Weihnachten
Gerhard