Hallo,
Ich muss sagen ich habe ähnliche geteile Gefühle, wenn ich im Norden unterwegs bin. Ich war das erste mal vor 7 Jahren in Irland, seitdem fliege ich pro Jahr mind. einmal, oft auch zwei bis dreimal hinüber, in die Republik wie in den Norden. Ich habe viele Irische Freunde, die ich gerne besuche, im Norden und im Süden, und viele von ihnen sind politisch aktiv, von Finna Gael über Irish Labour bis hin zu Sinn Fein. Ich habe mich mit der Politik, mit der historischen und der aktuellen, auseinandergesetzt und mir schon Stadtratssitzungen in den Border Counties in der Republik angehört, und mich von Bürgerrechtlern durch die Bogside in Derry, durch die trostlosen Vororte von Belfast und sogar Shortstrand führen lassen.
Einerseits ist die Landschaft toll, man hat über weite Strecken seine Ruhe, und man hat schon machmal das Gefühl, das alles noch ein bischen ruhiger läuft als in der Republik, gleichzeitig habe ich schon auch noch immer ein wenig das Gefühl, im vielerlei Beziehung im Hinterhof Europas zu stehen, und ich hatte auch schon mehrere negative Erlebnisse, von denn ich jetzt aber nur eines schildern will:
Ich war vor zwei jahren mit einem Dubliner Mietwagen unterwegs, hatte gerade Giants Causeway besichtigt und war auf dem Weg zum haus eines Freundes in Ballycastle. Auf der Küstenstrasse bildete sich ein Stau, hervorgerufen durch eine Strassensperre der Britischen Armee, es war ca. 1 Woche vor Beginn der "Marching Season" im Norden. Als ich an der Reihe zur Kontrolle war, kontrollierte der junge Soldat (lt. Schulterabzeichen 2nd Cardiff Fussiliers Regiment) ca. 5 Minuten alle meine Papiere (Österr. Reisepass und Führerschein, Mietwagenpapiere) ..... nur um mich danach alles noch einmal haarklein danach zu befragen, aber gut, damit konnte ich noch ohne Probleme leben.
Danach wurd eich jedoch zur Seite weitergewunken, denn ich müsse genau kontrolliert werden, da da so einiges nicht stimme bei mir: Mein Auto sei lt. Papieren ein Mietwagen, "but it looks like a bloody wreck" und ich selber zeige ihm zwar einen Pass eines "fancy european country". würde beim Reden aber klingen wie eine Mischung aus "some stupid yankee and a some damn Irish bastard" :-(
Was dann folgte, waren 30 Minuten wo ich konstant nicht wusste ob ich mich aufregen oder ich mich fürchten sollte, und ich ständig das Gefühl hatte, knapp vor der Verhaftung zu stehen. Es beschäftigten sich 4 Soldaten, darunter anscheinend ein 1 Offizier exklusiv mit mir. Ich wurde beschimpft, verhöhnt, wurde ungefähr 5 mal das selbe gefragt, musste Fragen zu meiner Person inkl. Religionsbekenntnis, Reiseroute, meinen Bekannten in Irland, deren Religionsbekenntnissen etc. ... über mich ergehen lassen, mein komplettes Gepäck wurde durchwühlt, wobei einer der Soldaten "leider" auf eine Wolfe-Tones und eine Dubliners-CD "irrtümlich" draufgestiegen ist, und ein im Gepäck gefundenes Buch des England-kritischen Autors P.J. O´Rourke "leider" in eine Schlammpfütze gefallen ist ...
Ich habe mich zum ersten Mal in vielen Jahren so richtig gefürchtet, und ich glaube jetzt zu verstehen, wie sich z.B. mancher Afrikanischer Mitbürger bei uns manchmal vorkommen muss. Das ganze endete dann damit, das mein gesamtes Gepäck neben meinem Auto ausgekippt wurde, meine Papiere daneben im Dreck landeten und man mir empfahl, to "get your stuff together and get your catholic ass back down south were you bastards belong to" ...
Ich war sprachlos ! Mir standen die Tränenn in den Augen, ich zitterte und war zu keinem vernünftigen Satz mehr fähig. Mein Irischer Traum und mein Idyll waren von ein paar Vollidioten in 45 min. zu Fall gebracht worden, und hätte ich meinem Freund nicht am Morgen versprochen, das wir heute abend zusammen im Pub nach langen Jahren wieder einen heben werden, ich hätte am liebsten wieder umgedreht und wäre so schnell wie möglich wieder über die Grenze nach Donegal verschwunden! So aber bin ich ein paar Minuten im Auto sitzen geblieben, um mich wieder zu fangen, und bin dann Richtung Ballycastle weitergefahren. Und als ob der Gegensatz nicht größer sein könnte, hatte ich dort einen der nettesten Abende aller Zeiten. Als ich von meinem Erlebnis erzählte, waren alle genauso geschockt, daß mir das als Tourist passiert, und jeder war supernett und superbesorgt um mich, und alle haben klargestellt, das sie, Republikaner oder Loyalist, das nicht gutheissen, und so ist der Schreck langsam wieder davongegenagen, aber ich muss sagen, sogar letztes Jahr noch merkte ich wie mir plötzlich der Schweiss auf der Stirn stand, als uns bei der Fahrt mit dem Transferbus die altbekannten gepanzerten Landrover entgegenkammen, und die meldung über den Britischen Truppenabzug hat mich unheimlich gefreut.
Noch ganz kurz zur Nachgeschichte des Erlebnisses: Ich habe in Wien dann natürlich eine Beschwerde an den Militärattache der Britischen Botschaft über den Vorfall geschickt, gekommen ist lange nichts, nach ca. 2 Montaen kam ein 4-zeiliger Brief eine "Public relations officers" des betreffenden Regiments aus Cardiff, in dem er schrieb, das man die Beschwerde geprüft habe, sich jedoch keienr der an diesem Checkpoint an diesem tag Diensthabenden an so einen Vorfall erinnere, und man daher nichts weiter tun könne, ausser zu bedauern "... daß es Zivilpersonen manchmal leider am notwendigen Verständnis für die notwendigen strikten Abläufe innerhalb militärischer Operationen fehle" ..,. das war dann er zweite Schlag ins Gesicht, ich bin der sache aber nicht mehr weiter nachgegangen, da ich befürchtete das dies Freunde von mir in NI in Schierigkeiten bringen könnte, deren Namen gefallen waren.
Versteht mich jetzt bitte nicht falsch, ich will das nicht verallgemeinern, mir ist schon klar das ich an dem Tag wahrscheinlich einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war, und die wohl größten Volltrotteln in Britscher Uniform gerade gemeinsam Dienst hatten, aber solange solche Dinge passieren können, und dann auch noch offiziell gedeckt werden, und heir ist jetzt die Paralelle zu ziehen zu den abgebrannten Wohnwägen, solange wird es immer einn Unterschied geben zwischen Norden und Süden, und wenn die mit mir schon so umspringen, will ich gar nicht wissen was für Erfahrungen manche Einheimsche an diesem Checkpoint an diesem Tag gemacht haben werden. Und schon hat die IRA ein paar Unterstützer mehr, und der Schaden der damit im Tourismus angerichtet werden kann, ist kaum bezifferbar, weil mir ist das egal, das wird mich nicht davon abhalten, wieder dort hin zu fahren, aber für Otto-Normaltourist ist das ein Grund für jede Menge Negativ-Presse und die Arbeit vieler, die sich für NI engagieren, ist mit einem Schlag beim Teufel ...
Zum Ausgleich möchte ich jedoch auch noch was positives loswerden: Ich musste letztes Jahr auf der Polizeistation in Enniskillen eine Zeugenaussage bei der PSNI zu einem kleinen Unfall (nur Materialschaden, wir waren nicht beteiligt) zwischen einem Britischen Armee-Schlauchboot und einem Nordirischen Privatboot machen. Und abgesehen von der Tatsache, das alle meine Daten schon im Polizeicomputer vorhanden waren, war die Stimmung sowohl von der Seite der PSNI als auch des anwesenden Officers des Royal Engineers Corps absolut freundlich und korrekt, die Sache war in 30 Minuten erledigt und mir wurde sogar angeboten, das mich danach ein Armeewagen zurück zu meinem Boot bei der immer offenen Schleuse oberhalb von Enniskillen bringen würde, ich hab dann doch lieber ein Taxi genommen ...
mfg Fritz