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Autor Thema: Kräftesparende Tipps für den Bootsurlaub  (Gelesen 4749 mal)

Offline bádoir

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Kräftesparende Tipps für den Bootsurlaub
« am: 16.03.2008, 13:13 »
Hallo Skippers und -innen!


Schon  ein paarmal wurde ich gefragt, welche körperlichen Voraussetzungen man
für einen Urlaub auf dem Schiff, besonders bei Bargen, mitbringen muß. Beden-
ken  gibt  es  vor  allem  im Hinblick auf die Übersicht, das Anlegen und die
Schleusen- hier besonders die handbedienten.


Na, dann gehen wir die Sache mal an:



Körpergröße und Voraussicht

Die Frage nach der Körpergröße ist einfach zu beantworten: Bei der Bargenbau-
art  ist die Höhe der Aufbauten maximal 1,30 Meter über der Plicht, also der Ebe-
ne,  auf  der man steht. Das heißt, über 1,40 Meter Körpergröße kann man dar-
über  hinwegsehen,  mit  1,50 hat man schon den vollen Überblick. Das vordere
Ende  sieht  bei  einer Barge auch ein Zweimetermensch nicht richtig, das ist
immer  eine  Frage  von  Augenmaß und Gefühl. Beim Anlegen wird man immer zur
Seite hinausschauen, da ist Körpergröße ohnehin uninteressant.

(Mit  dieser  Körpergröße  wird  man auch auf Schiffen konventioneller Bauart
auskommen.  Hier wird der Sitz halt, notfalls unter Zuhilfenahme einiger Kis-
sen, höhergestellt. Pedale am Boden gilt es ja nicht zu erreichen. )



Kurze  Beine sind auch kein Hindernis, wenn es an Land geht. Denn Seemann und
Seefrau springen niemals an Land, sie SCHREITEN an Land. Alles andere ist ein
Indiz  für  ein  vermurkstes Anlegemanöver. Das macht man lieber nochmal- das
wirkt um Klassen souveräner, als wenn jemand ins Wasser fällt!



Körpergröße und Tillerhöhe

Anders  als  Schiffe  konventioneller Bauart haben die Bargen fast alle
kein  "Steuerrad",  sondern  einen Hebel, der direkt am Steuerruder befestigt
ist, den Tiller. Etwas Beachtung verdient die Höhe des Griffs.

Der befindet sich in Höhen zwischen 1 Meter und 1,30 m.

Vorteil  der  niedrigen Variante: Auf normaler Fahrt kann man sich lässig mit
dem Rücken an das Griffende lehnen und so kleine Korrekturen vornehmen.

Nachteil:  Stößt  man  beim  Anlegen / Rückwärtsfahren mit dem Ruder an einem
Hindernis  an  und  geht  der Tiller in Vollausschlag, kann man wird zwischen
Tillergriff  und Reling eingeklemmt werden, wenn man an der falschen Seite
steht.


Abraten  würde ich auf jeden Fall von irgendwelchen Unterlagen, Schemeln usw.
zum Draufstehen. Da tritt man eines Tages daneben, stolpert und fällt hart und/oder naß.


Kräfte am Tiller

Gibt  man  Vollgas,  so wirken durchaus bemerkenswerte Kräfte auf den Tiller,
wenn  er  stark  eingeschlagen  ist.  Die Kräfte sind zwar beherrschbar, doch
sollte man darauf eingestellt sein.

Vollgas  bei voll eingeschlagenem Tiller ist ohnehin nicht sinnvoll - mit einer 
 Ausnahme  allerdings:  Will man beim Ablegen das Heck frei bekommen, ist
ein  kurzer Gasstoß bei voll zum Land ausgelegtem Ruder die einfachste Metho-
de,  aber  da  kann man ja auch, wenn auch unelegant, die Bootstange zu Hilfe
nehmen.


Damit sind wir schon beim Thema Körperkräfte.

Das wird immer etwas überschätzt.

Ich  erinnere an die alte Weisheit, warum Dinosaurier ausgestorben sind:

V i e l   K r a f t ,  w e n i g   H i r n .

Also  setzen wir das Hirn ein. Das vergessen manche Bootsurlauber, z.B. jene,
die ein Schiff beim Anlegen mit der Leine mit aller Macht an Land ziehen, so,
als gälte es, die Olympiade beim Tauziehen zu gewinnen. Schon mal beobachtet?
Das ist Quatsch.

Wasser mag nämlich keine Hektik.

Was heißt das?

Habt  ihr schon mal versucht, in einem See bei 1 Meter Wassertiefe zu joggen?
Was  an  Land  leicht  geht,  wird  im  Wasser zum Kraftakt. Und, das ist das
Wichtigste:   Selbst  bei  größter  Kraftanstrengung  kommt  man  nicht  viel
schneller voran, als jemand, der lässig ins Wasser spaziert.

Physikalisch  hängt  das  mit der höheren Dichte des Wassers zusammen und der
Aufweitung  des  Wirkquerschnitts  beim Übergang von laminarer zu turbulenter
Strömung..... ::).... ach, lassen wir´s...... ;D


Wichtig ist, was das für die Skipperpraxis heißt: Daß überall, wo etwas durch
das  Wasser  bewegt  wird,  keine Hektik angesagt ist, weil es bloß Kraftver-
schwendung bedeutet. Und nicht ganz nebenbei: Das gilt auch für den Gashebel! ;)


Anlegen


Gilt es also, bei Windstille ein Boot zum Anlieger zu ziehen, so laßt getrost
eine  Hand  in der Hosentasche und zieht nicht stärker an der Leine, als wenn
ein  mittelgroßer  Dackel  am  Ende  wäre.  Im  Endergebnis geht das genau so
schnell, als wenn Herkules am Werk wäre. Denn das Boot vom Herkules beschleu-
nigt  letztendlich  kurz  vor dem Kai doch noch, prallt ab- und das Spielchen
mit dem Gezerre beginnt von neuem. Da habt ihr schon längst festgemacht.

Etwas  mehr  Kraft  ist  gefragt,  wenn es gilt, das Boot gegen den Wind oder
gegen  den Strom an den Anleger zu ziehen .
(Es sei nicht verschwiegen, daß die Dinosaurier die Erde eine Zeitlang recht erfolgreich besiedelt haben). :)

Aber auch hier gibt es einen Trick:

Man zieht in diesem Fall nicht an der ganzen geraden Länge der Leine, sondern
umschlingt erst einen Poller (bzw. eine Klampe, wenn man von Bord aus zieht).
Dann  kann man portionsweise am gespannten Ende der Leine ziehen, und mit dem
freien  Ende  nachholen. Die Bremswirkung des Pollers oder der Klampe verhin-
dert  dann,  daß  die  mühsam gewonnenen Zentimeter wieder verloren gehen. So
kommt man nach und nach auch ans Ziel.

Ist  die  Heckklampe wenigstens eineinhalb Meter vor der Schraube angebracht,
kann  der  Steuermann dank des Hebelgesetzes wirkungsvoll nachhelfen: Ist das
Boot  an  dieser  Heckklampe schon festgemacht, hilft mäßiges Gasgeben (Ruder
geradeaus), den Bug an den Anleger zu drücken.

Auch  wenn  man  das  Boot erst am Bug festgemacht hat, kann man das Heck mit
Motorkraft  an  den Anleger schwenken. Auch hier nur wenig Gas geben, hier aber
den Propellerstrom mit dem Ruder Richtung freies Wasser lenken.
Hier machen aber viele den Fehler, die Bugleine zu kurz zu nehmen, und geben
frustriert auf.

Das  Geheimnis:  Die  Bugleine muß Spiel haben, und zwar nicht weniger als es
der  größten Breite des Schiffs entspricht. Die sollte man vorher mal mit
der  Leine  abgreifen,  daß man dann ein Gefühl für die nötige Länge hat. Oft
wird  die  "Gallionsfigur"  erst  mal  den  Poller mit kurzer Leine
einfangen, aber dann muß man wieder entsprechend Länge zugeben.


Viele Tipps zum Anlegen findet ihr auch unter Barrow-Tipps, Teil 8

http://www.shannon-forum.de/index.php?topic=2103.msg15026;topicseen#msg15026

(Sorry, wenn ich mich selber zitiere, aber ich bin manchmal auch schreibfaul  :))



Hydraulisch bediente Schleusen: (B&B-Canal = SEW)

Es  geht zwar das Gerücht, daß man den Knopf für die Schütze zum Wassereinlaß
immer  drücken  soll,  bis sie ganz offen sind, aber ich persönlich habe noch
nie  Probleme  damit  gehabt,  sie  erst  teilweise  zu öffnen. Dann wirken
nämlich  nicht  so  große Kräfte auf das Boot ein- und damit auch auf den/die
Leinenhalter(in).  Größere Stahlschiffe ab der 40-Fuß- Klasse können auch nur
mit  Maschinenkraft  in  der  Schleuse  gehalten werden, aber dazu bedarf es,
besonders beim Aufwärtsschleusen, schon einiges an Übung.


Handbediente Schleusen

       Mit Schleusenwärter......

Ein (teilweise) kräftesparender Trick ist, auf den Schleusenwärter zu warten.
Dann  muß  man nur wissen, daß beim Aufwärtsschleusen am Bug höhere Zugkräfte
auftreten als am Heck und die Rollen entsprechend einteilen.


ABER:   Schleusenwärter   sind   rar.  Anders  als  in  den  Glanzzeiten  der
kommerziellen  Schiffahrt  sitzt  nicht an jeder Schleuse einer; sie sind nun
für mehrere, zum Teil weit auseinanderliegende Schleusen zuständig.

Das  bedeutet  Wartezeiten. In der Hauptsaison, weil sich der Schleusenwärter
nicht  teilen kann, und in der Nebensaison, weil er dann mit anderen Arbeiten
(Wartung, Reparatur) beschäftigt ist.

Dann   ist   das   Schleusen   mit  Wärter,  wie  angedeutet,  nur  teilweise
kräftesparend.  Denn  der  Schleusenwärter will und muß schnell fertig werden
und läßt das Wasser volles Rohr in die Schleuse mit entsprechenden Zugkräften
an den Halteleinen. Auch wird es nicht immer in die Tagesplanung passen, eine
Stunde  oder  mehr  zu  warten, denn irgendwann läuft einem der Kaffee zu den
Ohren  raus,  und weit kann man sich beim Landgang vom Schiff auch nicht ent-
fernen.

       ........und ohne

Deshalb habe ich unter
http://www.shannon-forum.de/index.php?topic=2456.0
mal ganz detailliert den Schleusenvorgang mit mög-
lichen Problemen beschrieben. Das sieht auf ersten Blick kompliziert aus, ist
aber bald in Fleisch und Blut übergegangen. Vor allem kommt man mit minimalen
Haltekräften  aus,  und es ist allemal schneller, als auf den Schleusenwärter
zu warten.

Auch  bei  dem  Schwenken  der  Tore  gilt:  Keine  Hektik!  Lässig gegen den
Betätigungsbalken  gelehnt,  geht  es  ganau  so  schnell; das Wasser braucht
einfach Zeit, um auszuweichen.

Wenn  das  Tor  nicht aufgehen will, ist meist der Ausgleich der Wasserstände
noch  nicht  erreicht. Da geht es um wenige Zentimeter; bei exaktem Ausgleich
geht das Tor meist von selbst schon einen Spalt weit auf.



Die  Kurbelei  an  den Schützen kann manchmal Kummer bereiten. Das geht schon
schwerer, und man neigt dazu, sich mit ganzem Körpergewicht auf die Kurbel zu
stemmen.  Macht  das  NIEMALS!  Die  Kurbel  kann  vom  ausgeleierten  Zapfen
abrutschen, die Zahnstange kann Zahnausfall haben (dann dreht die Kurbel leer
durch)- und man landet höchst unsanft im Wasser.


Also   1.  immer  gut  mit  einem  Arm  festhalten  und
         2. die Kurbel immer so umstecken, daß man sie zu sich heraufzieht


Zum  Trost:  Wenn  die  Klappe  des  Schützes erst mal aus ihrem unteren Sitz
herausgekommen  ist  (nach  etwa einer viertel bis halben Umdrehung), geht es
leichter.

Wenn  der  Wasserdruck  bei  halbvoller Schleusenkammer erst mal nachgelassen
hat, geht es wiederum leichter. Also macht es keinen Sinn, die Schütze sofort
ganz  zu öffnen- das kostet sowohl Schleusenwärter (in) als auch Leinenhalter
(in) nur unnötig Kraft.




Womit wir wieder beim Dinosaurier-Gesetz wären:

Gelassenheit  und  Überlegung  sind wichtiger als Körperkräfte. Und mit einem
bißchen   Nachdenken   kann  man  auch  meist  vermeiden,  in  kräftezehrende
Situationen  zu  kommen:  Also  Anlegen  gegen  starken Wind vermeiden, keine
Vollgasmanöver  beim  Anlegen,  bei  Strömung  die  richtige  Reihenfolge der
Festmacher beachten ........

Kurzum, vorausschauend handeln.

Dann bleibt mir nur noch zu wünschen:

Gute Fahrt!

bádoir
 
« Letzte Änderung: 16.03.2008, 21:04 von bádoir »