Shannon-Forum

Autor Thema: Eindampfen  (Gelesen 17899 mal)

Offline bádoir

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Re: Eindampfen
« Antwort #15 am: 12.08.2011, 09:32 »
(ich hab keine Ahnung, wie das bei Barken ist, Badoir).

Hallo Panta Rhei,

Bevor wir AHs (wahlweise alte Herren  :-[ oder alte Hasen  :) ) die weniger Geübten in Verwirrung stürzen – die von Dir beschriebene, genau so funktionierende Methode  ist wieder eine andere als die „meine“

Es geht um die Frage, wie das Heck an den Anleger zu bekommen ist. Da kann man sich
* einmal den Querstrom des Propellers im Rückwärtsgang  (Stichwort „Radeffekt“) zunutze machen oder
* im Vorwärtsgang den vom Ruder abgelenkten Axialstrom des Propellers.

Welche Methode man anwendet, hängt von der Bootsbauart und von der Anlegesituation und auch von persönlichen Vorlieben ab. Absolut recht hast Du, daß das Anlegen gegen den Strom (wo es denn strömt) Priorität hat - und Gas mit Gefühl kann nicht oft genug erwähnt werden.

So, das soll nun nicht zur Doktorarbeit werden, deshalb fange ich auch nicht vom bargenspezifischen Eindampfen in die Leine an der Mittelklampe an.
  8)

Grüße,

bádoir
« Letzte Änderung: 12.08.2011, 09:35 von bádoir »

Offline paolo

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Re: Eindampfen
« Antwort #16 am: 14.08.2011, 05:09 »

Zum Anlegen: Das mit dem 45° Winkel geht schon (oder je nach Wind 30° oder sogar 90°), was heißt "geht", das ist Standard. Aber ich würde zwei Dinge anders machen als euer hektischer Einweiser:
1) Die Fahrt im spitzen Winkel zum Steg nicht mit Vollgas und auch nicht mit halbem Gas, sondern mit dem geringst möglichen Gas oder sogar im Leerlauf.
2) Ein paar Meter vor dem Anleger im Leerlauf Steuer vom Anleger wegdrehen. Oft dreht dann das Boot schon im Leerlauf sanft in die gewünschte Richtung parallel zum Steg. Wenn nicht: Ganz sanfter gefühlvoller Stoß mit dem Gashebel nach vorne und gleich wieder zurück in den Leerlauf, dann dreht das Heck zum Steg. Dabei kann man dem Heck ruhig auch ein wenig Zeit geben, Schiffsheck ist kein D-Zug.

  

Leichter Einspruch!

Je weniger Gas, desto weniger Ruderwirkung, im Leerlauf sogar fast gar keine. Da wundert man sich dann leicht, dass das dumme Boot nicht so will, wie man selbst gerade denkt, und vor allem nicht so, wie ein Auto an Land...

Anlegemanöwer sind reine Übungssache. Und jedes Boot reagiert anders, mal ganz abgesehen von einwirkendem Wind oder Strömung.
Als Ungeübter möchte man natürlich nicht frontal auf den Steg auffahren, daher fahren die meisten Ungeübten im flachen Winkel und mit wenig Fahrt oder sogar im Leerlauf an den Steg heran. Das kann gutgehen, tut es aber oft nicht und bei ablandigem Wind oder Strömung schon gar nicht.

Auch wenn es widersinnig klingt, aber es ist viel einfacher, im spitzen Winkel und dann auch mit etwas speed an den Anleger heranzufahren, um dann im richtigen Moment abzudrehen, das Boot per Rückwartsschub aufzustoppen und mit dem verbleibenden Vorwärtsschub (deshalb 'leichter speed') an den jetty heranzugleiten.

So jedenfalls ist es in der Theorie perfekt.

Aber wie läuft es in der Praxis???

Ganz einfach: durch Üben!

Diejenigen, die schon öfter Boot gefahren sind, brauchen bei einem neuen Boot oder längerer Bootsabstinenz nur ein bis zwei Anlegemanöwer um zu wissen, wie das jeweilige Boot reagiert.
Der Ungeübte braucht haltetwas  länger.
Aber wie sagte Wolfgang so richtig? Wir sind doch im Urlaub!
Also, übt solange bis Ihr ein sicheres Gefühl für euer Boot habt.

Abdrehen und gleichzeitiges Aufstoppen kann man auch mitten im See üben, da braucht man keinen Steg.

Sobald man das Boot irgendwann sicher aufstoppen kann,  fährt man einen freien Jetty an, mit Speed und im spitzen Winkel.

Um aber einer Havarie und einem satten Aufprall auf den Steg zu entgehen, denkt man sich selbigen 3 oder 4 Meter 'näher', als er eigentlich ist. Schafft man es sicher, das Boot parallel am  'gedachten' Anleger aufzustoppen, fährt man beim nächsten Übungsanlegemanöwer einen Meter näher an den Steg heran, und dann noch mal einen näher und dann noch mal einen.

Und plötzlich klappt's.

Da parkst du dein Boot perfekt ein, wie deinen Motorschlitten an Land
Und Spaß hat sie auch noch gemacht, die Überei!

Also nochmal: Habt Mut zum spitzen Winkel und zu etwas beherztem Speed beim Anlegen. Glaubt mir, es ist einfacher so, weil Ihr viel mehr Kontrolle über das Ruder und somit über die Fahrtrichtung eures Bootes habt!

Oft sieht man Skipper im flachen Winkel und im Leerlauf an den Jetty heranfahren. Und wenn sie dann merken, dass sie einen oder anderthalb Meter zu weit weg vom Steg sind, und die Frau mit der Leine in der Hand keinen Mut hat, einen Satz auf den glitschigen Steg zu machen, tun sie oft genau das Falsche: Sie drehen zum Steg hin, um näher an selbigen heran zu kommen, was aber zur Folge hat, dass das Heck vom Steg wegdreht. Und das bedeutet, das Anlegemanöwer ist voll verka*kt!

Das sieht man ganz oft......
Infos zu mir - gibt's hier:
https://www.paolo.de

Offline bádoir

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Re: Eindampfen
« Antwort #17 am: 14.08.2011, 12:09 »
Leichter Einspruch!

Leichter Widerspruch! ;)

Nein, das soll jetzt nicht nur ein sprachlicher Gag sein; ich glaube, im Prinzip sind wir nicht so weit auseinander.

Etwas Bootsphysik (praktisch jedem klar, hier nur zusammengefaßt:) Das Steuerruder ist nur wirksam, wenn es angeströmt wird. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder

1. durch Fahrt des Boots, die zumindest Bummelgeschwindigkeit überschreiten sollte oder:
2. durch den Schraubenstrom, der vom Ruder abgelenkt wird.

Man kann also das Boot lenkbar halten:

1. durch Eigengeschwindigkeit oder
2. durch kürze ¼ bis ½ – Gasstöße (funktioniert selbst im Stand)

Jede Methode kann beim Anlegen Vorteile haben:

Vorteil der Methode 1: Sie funktioniert auch bei etwas ablandigem Wind

Vorteil der Methode 2: Man kann die Sachen langsamer angehen, das Risiko ist für Boot, Anleger und Geschirr an Bord kleiner. Da jede Korrektur am Gas auch Vortrieb erzeugt, hat man da auch mehr Geschwindigkeits-, oder besser, "Langsamkeitsreserve"

Persönlich bevorzuge ich Methode 2, nachdem mir mal bei einer nagelneuen Town Star beim Anlegen das Getriebe ausfiel und vor mir schon ein mit viel Aufwand  nachgebautes "Wikingerschiff" lag. Es ging gerade noch gut- dank Methode 2. Irgendwann kommt auch der Tag, an dem man sich bei aller Übung mal vertut  Auch da ist es besser, mit langsamer Geschwindigkeit anzukommen und rein mit dem abgelenkten Schraubenstrom zu steuern.

Bei ablandigem Wind gibt es Alternativen: Das erwähnte Eindampfen in die Vorspring.

Nachdem das nun doch eine Doktorarbeit wird, hier noch der schon angesprochene Trick mit der Mittelklampe. Vielleicht funktioniert er auch nicht nur bei Bargen, deshalb hier die Beschreibung (die Mittelklampe sollte allerdings einen stabilen Eindruck machen): Der Steuermann hält die an der Mittelklampe belegte Leine in der Hand und  fährt ganz flach an den Anleger. Der Wind darf den Bug ruhig wegtreiben, wichtig ist nur, daß das Boot auf Höhe des Steuermanns oder einer am Heck stehenden Hilfsperson so weit an den Steg kommt, daß ein Poller dort mit dieser Leine "eingefangen" werden kann. Dann wird die Leine an dem Poller fixiert und gefühlvoll Gas nach Voraus gegeben. Ganz langsam bewegt sich nun der Bug in Richtung Steg und durch ganz leichten Rudereinschlag vom Steg weg kommt dann auch das Heck an den Steg. Man hat so also ein virtuelles Bug- und Heckstrahlruder. Auch bei einer weit genug seitlich liegenden Heckklampe funktioniert das.

Einfach mal ausprobieren! Bei stark ablandigem Wind hat man allerdings so oder so nur die Chance mit dem Eindampfen in die Vorspring.

Egal, welche Methode man anwendet, es helfen immer die 3 "Üs": Üben, Üben, Üben. Da hat Paolo recht. Dafür bieten sich übrigens auch einsame Anleger ohne Publikumsverkehr an.

Grüße,

bádoir
« Letzte Änderung: 14.08.2011, 12:24 von bádoir »

Offline Frank & Steffi

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Re: Eindampfen
« Antwort #18 am: 14.08.2011, 20:48 »
... hier noch der schon angesprochene Trick mit der Mittelklampe. Vielleicht funktioniert er auch nicht nur bei Bargen, ...
Hi Gerhard,
Dein "Mittelklampentrick" funktioniert ganz hervorragend, auch bei den GFK-Booten, die wir gefahren sind (die "weißen mit den Wellen"  ;) ;D).
So legen wir immer dann an, wenn´s nicht für lange ist und - wie schon von Dir erwähnt - nicht zu windig.
... Spart man enorm "Personal" z. B. wenn man kurz noch vor der Schleuse auf´s Einfahren warten muß, oder schnell jemanden übersteigen lassen will (wie im B&B-Kanal zur Schleusenbedienung); und überhaupt sind wir im B&B-Kanal entweder ohne Leinen oder eben so geschleust - reicht vollkommen in den kleinen Kammern.
Nur der Vollständigkeit halber: Wavelineboote haben recht lange Festmacher, sonst kann das mit der Mittelklampe in den Schleusen mit größerem Hub schon mal knapp werden, wenn man nicht "Umstecken" möchte (die Bugfestmacherleine vorne lösen und dann an der Mittelklampe "befestigen"), was ja viel praktischer ist, da man so schneller wieder auf "Normalbetrieb" mit Bug- und Heckleineneinsatz umswitchen kann! 8) ;) :D

... Und es gibt noch sooooo viele schöne Anlegemanöver! Jetzt muß ich aufhören, sonst werde ich melancholisch, weil´s dieses Jahr nix wird mit "Böööötchenfahren in Irland"... :'( :-[

Gruß
Frank
... und sind wir nicht daheim, dann sind wir auf dem Sonnendeck - oder wenn´s ganz arg regnet auch mal unter Deck ;)