Zum Anlegen: Das mit dem 45° Winkel geht schon (oder je nach Wind 30° oder sogar 90°), was heißt "geht", das ist Standard. Aber ich würde zwei Dinge anders machen als euer hektischer Einweiser:
1) Die Fahrt im spitzen Winkel zum Steg nicht mit Vollgas und auch nicht mit halbem Gas, sondern mit dem geringst möglichen Gas oder sogar im Leerlauf.
2) Ein paar Meter vor dem Anleger im Leerlauf Steuer vom Anleger wegdrehen. Oft dreht dann das Boot schon im Leerlauf sanft in die gewünschte Richtung parallel zum Steg. Wenn nicht: Ganz sanfter gefühlvoller Stoß mit dem Gashebel nach vorne und gleich wieder zurück in den Leerlauf, dann dreht das Heck zum Steg. Dabei kann man dem Heck ruhig auch ein wenig Zeit geben, Schiffsheck ist kein D-Zug.
Leichter Einspruch!
Je weniger Gas, desto weniger Ruderwirkung, im Leerlauf sogar fast gar keine. Da wundert man sich dann leicht, dass das dumme Boot nicht so will, wie man selbst gerade denkt, und vor allem nicht so, wie ein Auto an Land...
Anlegemanöwer sind reine Übungssache. Und jedes Boot reagiert anders, mal ganz abgesehen von einwirkendem Wind oder Strömung.
Als Ungeübter möchte man natürlich nicht frontal auf den Steg auffahren, daher fahren die meisten Ungeübten im flachen Winkel und mit wenig Fahrt oder sogar im Leerlauf an den Steg heran. Das kann gutgehen, tut es aber oft nicht und bei ablandigem Wind oder Strömung schon gar nicht.
Auch wenn es widersinnig klingt, aber es ist viel einfacher, im spitzen Winkel und dann auch mit etwas speed an den Anleger heranzufahren, um dann im richtigen Moment abzudrehen, das Boot per Rückwartsschub aufzustoppen und mit dem verbleibenden Vorwärtsschub (deshalb 'leichter speed') an den jetty heranzugleiten.
So jedenfalls ist es in der Theorie perfekt.
Aber wie läuft es in der Praxis???
Ganz einfach: durch Üben!
Diejenigen, die schon öfter Boot gefahren sind, brauchen bei einem neuen Boot oder längerer Bootsabstinenz nur ein bis zwei Anlegemanöwer um zu wissen, wie das jeweilige Boot reagiert.
Der Ungeübte braucht haltetwas länger.
Aber wie sagte Wolfgang so richtig? Wir sind doch im Urlaub!
Also, übt solange bis Ihr ein sicheres Gefühl für euer Boot habt.
Abdrehen und gleichzeitiges Aufstoppen kann man auch mitten im See üben, da braucht man keinen Steg.
Sobald man das Boot irgendwann sicher aufstoppen kann, fährt man einen freien Jetty an, mit Speed und im spitzen Winkel.
Um aber einer Havarie und einem satten Aufprall auf den Steg zu entgehen, denkt man sich selbigen 3 oder 4 Meter 'näher', als er eigentlich ist. Schafft man es sicher, das Boot parallel am 'gedachten' Anleger aufzustoppen, fährt man beim nächsten Übungsanlegemanöwer einen Meter näher an den Steg heran, und dann noch mal einen näher und dann noch mal einen.
Und plötzlich klappt's.
Da parkst du dein Boot perfekt ein, wie deinen Motorschlitten an Land
Und Spaß hat sie auch noch gemacht, die Überei!
Also nochmal: Habt Mut zum spitzen Winkel und zu etwas beherztem Speed beim Anlegen. Glaubt mir, es ist einfacher so, weil Ihr viel mehr Kontrolle über das Ruder und somit über die Fahrtrichtung eures Bootes habt!
Oft sieht man Skipper im flachen Winkel und im Leerlauf an den Jetty heranfahren. Und wenn sie dann merken, dass sie einen oder anderthalb Meter zu weit weg vom Steg sind, und die Frau mit der Leine in der Hand keinen Mut hat, einen Satz auf den glitschigen Steg zu machen, tun sie oft genau das Falsche: Sie drehen zum Steg hin, um näher an selbigen heran zu kommen, was aber zur Folge hat, dass das Heck vom Steg wegdreht. Und das bedeutet, das Anlegemanöwer ist voll verka*kt!
Das sieht man ganz oft......