Wie (fast) immer bei mir ging auch die Überführung der Shangri La nicht nicht ganz problemlos von der Hand. Letzte Woche Dienstag bin ich vom Zuidlaardermeer bei Groningen mit relativ spärlichem Proviant aus gestartet. Unterwegs würde es sicher ausreichend Gelegenheit geben, meine Vorräte aufzufüllen.
Dachte ich mir jedenfalls.
Die Fahrt geht zunächst durch kleine, enge Kanäle im Konvoi mit anderen Booten. Begleitet wird man hierbei von zwei Brucken-/Schleusenwärtern auf Motorroller, die auf dem ersten Fahrtabschnitt vorhandenen 32 Brücken und 4 Schleusen bedienen. Da diese Kanäle so gut wie keine Strömung haben, befindet sich jede Menge Kraut im Wasser und in den Schleusen schwimmt noch zusätzlich jede Menge sonstiges Grünzeug im Wasser. Ich fuhr als drittes von vier Booten, und als ich aus der vierten Schleuse herausfuhr, dauerte es nicht lange bis der Fahrer des hinter mir fahrenden Bootes mir laut zurief, aus meinem Auspuff käme kein Kuhlwasser sondern nur noch Qualm heraus. Ich reduzierte sofort auf Standgas, trieb an die rechte Böschung, ließ das andere Boot passieren und schaltete dann sofort ohne am Ufer festzumachen den Motor aus. Ich öffnete die Klappe zum Motorraum und sah, dass der Krautfilter ziemlich voll war.
Krautfilter gereinigt, Motor gestartet, aber der Motor qualmte immer noch, kein Kühlwasser am Auspuff sichtbar. Nochmal den Krautfilter aufgeschraubt, aber der war sauber. Der Impeller war wohl fritte. Was sollte ich tun? Erstens hatte ich keinen Ersatzimpeller dabei und zweitens außer einem Leatherman kein Werkzeug, sodass ich noch nicht mal die Impeller Abdeckung aufschrauben konnte.
Mein Boot trieb mittlerweile quer im Kanal und die beiden Brückenwärter riefen mir zu, was los sei. Motor kaputt, rief ich Ihnen zu, startete noch mal kurz den Motor, fuhr das Boot zu den beiden Mopedfahrern an die linke Böschung, warf ihnen Vor- und Achterleine zu und die beiden Jungs machten die Shangri La an zwei Bäumen fest.
Ich rief John von meinem Starthafen Allround Watersport an, der mir den Überführungsjob auch vermittelt hatte.
Er meinte, er käme sofort mit Werkzeug und Impeller zu mir.
Guter Mann.
Und tatsächlich: eine knappe Stunde später schwang er sich auf mein Boot, kontrollierte den (sauberen) Krautfilter, öffnete die Abdeckung vom Impeller und meinte sofort, ja, der ist hin. Leider hatte er eine Spitzzange vergessen, bekam das marode Teil nicht heraus. Aber ich hatte ja meinen Leatherman dabei und damit hats dann geklappt. Neuen Impeller gut eigefettet, in die Öffnung geschoben soweit es ging, aber leider keinen Hammer dabei, um das Ding vorsichtig einzuschlagen, aber mit Geduld, Spucke und einem guten Schuss feinsten Olivenöl hats dann endlich doch geklappt.
Motor wieder gestartet, aber es kam nur sehr spärlich Wasser aus dem Auspuff. Wir müssen noch die abgerissenen Kleinteile aus den Zuleitungen holen, meinte John, die verstopfen anscheinend den Durchfluss. Schraubklemmen aufgeschraubt, Schläuche und Rohrverbindungen abgenommen, Kleinteile heraus gefischt, alles wieder zusammen geschraubt, und plötzlich war alles wieder wie neu. Wasser schoss aus dem Auspuff und der Motor wurde wieder gekühlt.
Das Ganze hat gut drei Stunden gedauert. Da wars schon viertel nach vier und der wiedergekehrte Chef-Brücken Wärter meinte, es ginge erst am nächsten Morgen um 08:00 weiter. Da lag ich im Kanal in der holländischen Pampa, machte mir einen Tomatensalat, dazu zwei Scheiben labbriges Toastbrot, drei Leffe und zwei großzügige Gläser Grappa Nonino, zwei Filme auf dem Tablet geschaut, und dann bestens bis um 06:30 gepennt.
Die Fahrt hat ja super angefangen, dachte ich noch in der Koje, gerade mal knapp drei Stunden unterwegs und schon der erste Scheiß...
Am nächsten Morgen war der Brückenwärter um 08:00 pünktlich zu Stelle, öffnete mir die verbleibenden drei Brücken und gegen 08:30 bog ich rechts ab in den etwas breiteren Stadskanaal. Mittags verbrachte ich die einstündige Brückenwärter-Schleuser-Pause zusammen mit einer anderen Yacht und einem 20m langen Motorsegler in einer Schleuse. Das Wasser in der Schleuse war wieder stark modrig, aber als ich den Motor zur Weiterfahrt startete, kam satt Wasser aus dem Auspuff.
Dem war dann zwei Schleusen später nicht mehr so.
Nur noch ein sehr spärlicher Rinnsaal tropfte in den Kanal. Verdammt, dachte ich, bitte nicht schon wieder der Impeller. Ich machte das Boot fest, schaltete den Motor aus, öffnete den Motorraum, dann den Krautfilter, aber da waren nur wenige Algen drin.
Was tun?
Ich hoffte, dass nicht schon wieder der scheiß Impeller fritte gegangen war, schraubte den Schlauch zwischen Krautfilter und metallenen Wassereinfüllstutzen ab und tastete mit dem Zeigefinger den Innenraum des Stutzen ab. Aber da war nix. Hab dann die Öffnung mit einem Lappen notdürftig abgewischt, meine Lippen angesetzt und kräftig in das Rohr geblasen. Eigentlich hätte ich da ein Blubbern hören müssen.
Aber da blubberte nix.
Verdammt, dachte ich, da muss ich tiefer rein. Aber womit? Kein Draht, kein billiger Kleiderbügel oder sonst was an Bord. Da fiel mein Blick auf das Antennenkabel. War eh kein Funkgerät vorhanden, also was soll's. Hab einen guten Meter Kabel abgeschnitten, ins Rohr eingeführt und nach ca 50-60cm einen Widerstand gespürt. Kräftig rumgestochert, und plötzlich ließ sich das Kabel bis zum Ende einfuhren. Schlauch wieder fest angeschraubt, Motor gestartet. Am durchsichtigen Krautfilter konnte ich sehen, dass da wieder ein satter Wasserdurchfluss war und auch aus dem Auspuff sprudelt wieder Kühlwasser raus. Der neue Impeller funktionierte also, hatte wohl keinen neuerlichen Schaden genommen.
Problem selbst behoben und ich fühlte mich als Held
Allerdings hatte mich die Prozedur wieder einige Zeit gekostet. Im Haren-Rütenbrockkanal nach Deutschland war dann um 17:00 auf halber Strecke Feierabend. Mit den letzten Tomaten hab ich mir dann noch einen Salat gemacht und als dieser verputzt war, die Soße noch gierig mit labbrigem Toastbrot aufgesaugt. Ich hatte auch nur noch zwei Flaschen Wasser und so nahm ich mir vor, am nächsten Vormittag an einem Anleger in Haaren festzumachen und Einkaufen zu gehen.
Aber als ich dann rechts in den Dortmund-Emskanal einbog, gabs zwar eine Marina, die ich aber rechts liegen ließ. Da kommt bestimmt gleich ein Anleger mit einem Supermarkt in der Nähe.
Kam aber nicht.
Und an dem Tag war es wieder so richtig schön warm an Deck. 35 Grad zeigte das Thermometer an.
Ich fuhr bis Lingen und machte um 18:30 dort in einer Marina fest, wo ich vor vier Jahren schonmal mit meiner KUBA gelegen hatte. Dort gabs kaltes Bier, aber nix zu essen, und die Dusche funktionierte auch nicht.
Die Hafenmeisterin sagte mir, am nächsten Morgen würde mich ein Streckenabschnitt von 35km mit 6 Schleusen erwarten, für den man wegen des starken Berufsschiffsverkehrs zwischen 6 und 12(zwölf!) Stunden brauchen würde.
Ich fuhr um 07:00 Uhr am nächsten Morgen los und kam gegen halb acht an der ersten Schleuse an, die "doppel-rot“ anzeigte. Ein anderer Skipper, der schon vor mir an der Schleuse war, sagte mir, die Schleuse wäre erstmal wegen Taucherarbeiten (!) in der Schleuse gesperrt.
Geht ja schon wieder gut los, dachte ich.
Ungefähr eine Stunde später fuhr der Frachter MS Marino langsam an uns vorbei. Und plötzlich wurde die Sperrung aufgehoben und wir konnten hinter der Marino in die Schleuse einfahren. Und dann haben sich der andere Skipper und ich uns an die Marino drangehängt und wir konnten auch die nächsten 5 Schleusen problemlos durchfahren.
An dem Tag fuhr ich insgesamt 13,5 Stunden, und nirgendwo ein Anleger mit Supermarkt...
Ich habe dann um 20:30 zwischen einem Frachter und einer anderen Yacht festgemacht. Ich habe dann die etwas mürrisch Frau auf der Yacht gefragt, ob sie mir vielleicht eine Flasche Mineralwasser verkaufen könnte. Konnte sie aber nicht, wahrscheinlich wollte sie nicht. Da hab ich mir zum Abendessen die letzten drei Scheiben labbriges Toastbrot ohne was drauf und Wasser aus dem Bootstank reingezogen. Vielleicht kriegst du jetzt noch Durchfall, dachte ich.
Ist aber gut gegangen.
Was die Infrastruktur auf dem Dortmund-Emskanal angeht, ist das eine wahre Diaspora. Aber die Landschaft rechts und links ist wunderschön. Gut, es geht meistens nur geradeaus, aber man kann ja nicht alles haben.
Ich fuhr morgens um 07:00 Uhr los und irgendwann kam ich an eine Schleuse, wo schon zwei andere Sportboote warteten. Als sich die Tore öffneten, fuhr zuerst ein Frachter hinein, dann die beiden Sportboote, davon eins ein Segelschiff, ich, und noch einweiteres Sportboote.
Das Segelboot hatte plötzlich Probleme mit dem Motor. Schwarzer Qualm stieg auf und der Motor quietscht fürchterlich. Aber der Segler hatte es noch geschafft in die Schleuse einzufahren. Der Motor machte dann Puff, ging aus und nicht mehr an.
Wohl der Impeller kaputt, meinte ich fachmännisch zu dem Fahrer, der etwas traurig drein blickte.
Ob ich ihn aus der Schleuse rausziehen und bis zum nachsten Anleger schleppen könnte, fragte er mich. Klar, kein Problem, sagte ich ihm.
Er wollte seine Vorleine bei mir am Heck festmachen, aber ich bestand darauf ihn seitlich im Päckchen zu schleppen. So getan, hat bestens funktioniert und der Segler und seine charmante Begleitung waren glücklich.
Ich habe die anderen Boote und den Frachter dann noch an der nächsten Schleuse eingeholt und die Fahrt ging weiter.
Ich hatte nix mehr zu trinken und nix mehr zu essen, aber da erschien plötzlich eine Marina mit einem sehr ansprechend aussehenden Restaurant. Da hab ich sofort am Gästesteiger angelegt, bin zum Restaurant, habe mir Schweinelendchen (ich als eigentlicher Vegetarier...), insgesamt 3 halbe Liter Apfelschorle und noch drei große Flaschen Wasser zum Mitnehmen bestellt. Ich hab noch ein Foto von den Schweinelendchen mit Pfifferlingen und Bratkartoffeln gemacht und Britta geschickt. Jetzt schön langsam essen, sonst wird dir schlecht, schrieb sie zurück.
Die weitere Fahrt zog sich und mit der grünen Welle an den folgenden Schleusen wars auch vorbei. Ich wollte aber unbedingt noch abends an meinem Ziel in Mülheim an der Ruhr ankommen. Hat aber nicht geklappt. Das Verbindungsstück zwischen Rhein-Hernekanal und der Ruhr war wegen Brückenarbeiten komplett gesperrt und so musste ich bis zum Rhein runter fahren.
Als ich aus der letzten Schleuse vom Rhein-Hernekanal rauskam, was es schon 21:30 und es wäre zusehends dunkel. Ich fand dann eine Anlegemöglichkeit an einem leicht martialisch, wie ein alter Bunker aussehender Anleger. Der stand mitten im Wasser. Als ich die Leinen festgemacht hatte, wars 22:00 und tief dunkel um mich herum.
Am nächsten Morgen bin ich um 08:00 losgefahren, eine halbe Stunde später auf den Rhein und dann links rum in die Ruhr. Zwei Stunden und zwei Schleusen später bin ich dann bei Sunny Yachthandel, wo das Schiff jetzt verkauft wird, angekommen. Der Bruder des im letzten Jahr verstorbenen Eigners erwartete mich schon zusammen mit dem Chef vom Yachthandel. Beim Anlegen löste sich dann noch der Hebel vom Bugstrahlruder. Aber ich hab das Boot auch ohne in der schmalen Parktasche anlegen können. Kein Problem...
An anderen Booten geht anscheinend auch schonmal was kaputt, nicht nur immer en meinem eigenen, dachte ich.
Das Boot wurde dann von den beiden Herren inspiziert. Sie fanden aber alles gut, keine Schäden, prima
Der Bruder gab mir dann noch eine kleine Kühltasche mit Trauben und Äpfeln drin, die ich liebend gerne entgegennahm.
Dann fuhr er mich noch nach Hause nach Köln.
Die Fahrt war insgesamt sehr anstrengend, das Wetter unangenehm heiß, aber ich würde das jederzeit wieder machen. Auch bei Sonnenschein durch Münster fahren. Da lagen sie zu Tausenden rechts und links am Ufer. Alles junge Leute. Die sprangen ins Wasser, manchmal sogar direkt an mein Boot (Idioten halt), schwammen auf Luftmatratzen, Gummienten und sonst was rum. Und vor allem hatten die wohl von Corona noch nie was gehört. Die lagen und schwammen dicht an dicht. Ich sag's ja: Idioten halt.