MECKLENBURG - TIPPS 1/5: Land & LeuteHallo Foranten und Gäste,
Hier also meine angekündigten Mecklenburg-Tipps. In 5 Teilen wegen Ladezeiten und Übersicht:
1. Land & Leute
2. Schiffiges
3. Müritz
4. Östlich der Müritz
5. Westlich der Müritz
LAND UND LEUTE
ALLGEMEINES:Vergleiche mit Irland können zuweilen hinken. Sie können einen, schlimmer, auch um den Urlaub bringen, weil sie den Blick auf Neues verstellen. Gerade deshalb nehme ich - neben vielen Tipps- diese Vergleiche vorneweg, damit Ihr weißt, was Euch erwartet und Ihr unvoreingenommen Neuland betreten könnt.
Was ich persönlich am schmerzlichsten in Mecklenburg vermisse, ist die irische Musikszene und die irischen Schleusen. Was ich am meisten schätze, sind die unendlichen schönen Wanderwege ohne Mauern, Zäune und verroste-
te, mit verkacktem Strick zugebundene Tore. Auch gastronomisch ist mehr geboten.
LANDSCHAFTLICHES:Das Land ist keineswegs so platt, wie man sich (im Süden) Norddeutschland vorstellt. Charakteristisch ist eher eine wellige bis leicht hügelige Land-
schaftsform. Erhebungen von 10, 20, selten über 30 Meter bewahren auch empfindliche Menschen von einem Höhenkoller, machen die Landschaft jedoch abwechslungsreich und bieten immer wieder schöne Rundumblicke. Die Gegend ist dünn besiedelt, kleinere Städte wechseln sich mit idyllischen Dörfern ab, und man höre und staune: Man verläßt einen Ort und sieht nicht gleich den nächsten. Da ist jede Menge Landschaft dazwischen, ganz ungewohnt für Urlauber aus dem dicht besiedelten Westen.
WETTER:Nicht so wechselhaft wie in Irland, aber knackige Stürme kommen wegen der Meeresnähe und fehlender Berge durchaus vor. Auf der Müritz wurden schon 2 m hohe Wellen beobachtet. Sturmlagen sind eher länger anhaltend als in Irland, aber öfter mit strahlendem Sonnenschein verbunden. Wetterbedingte Stilliegertage können also durchaus genußvolle Wander- oder Badetage sein. Meine persönliche Bilanz in dem Revier: 53 ganze Urlaubstage, davon 3 wetterbedingte Stilliegertage. Geht doch, oder?
JAHRESZEIT:Man muß wissen, daß privates "Schifferlfahren" in dem gewässerdurchzogenen Revier eine fast hundertjährige Tradition hat; eine Tradition, die auch durch die DDR- Zeiten gerettet wurde, wenn auch mit einfacheren Mitteln.
Das heißt, es ist mehr los als in Irland. Daraus folgt, dass die Hauptsaison im Sommer nicht empfehlenswert ist. Wer nicht anders kann, sollte wenigstens die Schulferien in Mecklenburg und Brandenburg meiden.
Auf jeden Fall würde ich dann den Törn so planen, dass man an schönen Wochenenden die Müritz meidet. Man kann sich vielleicht noch von Waren Richtung Kölpinsee hinausschleichen, oder von Rechlin Richtung Mirow, aber gemütlich über die Müritz zu schippern, ist nicht drin.
Frühling und Herbst sind gleichermaßen schön, wobei die Temperaturen (Luft und vor allen Dingen Wasser) im Herbst höher sind. Die weitverbreiteten Lauubbäume und –Wälder in der Gegend machen schöne Oktobertage zu einemn einzigartigen Schauspiel.
HINKOMMEN:Anders als in den Anfangsjahren der Wiedervereinigung gibt es jetzt gute Bahnverbindungen aus Westdeutschland. Man ist, von Tür zu Tür gerechnet, genauso schnell und wesentlich umweltfreundlicher dort wie mit dem Flieger, zumal man von Berlin aus doch mit der Bahn weiterfährt. Man setzt sich in den Zug und kann bis Berlin durchschlafen, wenn einen (aus dem Süden kommend) die Traumlandschaft im Thüringer Wald nicht wachhält. Keine pingeligen Gepäckkontrollen, Koffer, so viel man schleppen kann, jede Menge Flüssigkeit im Handgepäck! Von Berlin geht es dann weiter nach Waren. Hinter Oranienburg kann man sich auf der Fahrt schon richtig auf die Landschaft einstimmen. Für mich gibt es nichts anderes mehr.
Aus Norddeutschland ist natürlich auch die Anreise mit dem Auto interessant; die Vermieter stellen auf Anfrage Parkplätze zur Verfügung.
KULINARISCHES:Landestypisches ist im Gegensatz zu Irland leicht zu finden. Preise nicht gerade irisch, aber mittlerweile doch auf dem Niveau westdeutscher Fremdenverkehrsgebiete. Fisch ist nicht so billig, wie man wegen der nahen Gewässer vermuten würde, aber sie verstehen, damit in der Küche umzugehen. Auch die Kunst, Kartoffeln zuzubereiten, wird hier ganz anders beherrscht als in Süddeutschland oder gar in Irland.
Biere: landestypisches Pils (Lübzer, Rostocker) nicht übel. Äußerst empfehlenswert: Lübzer und Rostocker Bock (Vorher Schiff sauber anlegen und Stolperfallen vermeiden). Wenns ein Dunkles sein soll: Köstritzer Schwarzbier (ganz anders als Guinness, aber auch lecker). Auch
ein noch schwärzeres Störtebeker muß man getrunken haben. Interessant auch die tschechischen Biere (Staropramen, Louny). Aus dem Westen gibt's dann noch Duckstein (ein MUß) und der brennend servierte Fischergeist (ein
starker Kräuterlikör, dessen Geschmack sich am ehesten als melissenartig charakterisieren läßt). Wenn wir gerade bei Spirituosen sind: Korn ist sehr empfehlenswert. Zu DDR-Zeiten war es mal umgekehrt, aber jetzt werden
die billigen Sorten "exportiert", und die guten im Lande konsumiert. Recht haben sie, und Ihr solltet Euch das nicht entgehen lassen. Mein Favorit: Winkelhauser aus Güstrow; von dem habe ich mir schon mal einen Karton
schicken lassen.
Unbedingt erwähnenswert ist, daß es hier noch echte handwerklich arbeitende kleine Bäckereien und Metzgereien und auch (noch) Tante-Emma-Läden für den Selbstversorger gibt. Aber das wird von Jahr zu Jahr weniger, leider.
BAUDENKMÄLERWo soll ich da anfangen, ohne ein Buch zu schreiben? Hier würde ich mich unbedingt vorher mit etwas Literatur eindecken (Röbel am Hafen, Fontane-Buchhandlung in Waren) Interessant war für mich, wieviele alte, gut erhal-
tene Bauten die DDR überlebt haben. Bei uns im Westen wurde das immer so dargestellt, als hätte man alles Alte plattgemacht. Die Intention war zweifellos vorhandenaber glücklicherweise war man da doch nicht so "effek-
tiv". Hier kann ich nur auf Suche im Internet verweisen, nur einen Tipp noch:
In Mecklenburg gibt es viel mehr begehbare Kirchtürme als im Westen. Wo immer es geht, sollte man die Möglichkeit nutzen, der Rundumblick ist sagenhaft, und die eingerosteten Seemannsbeine freuen sich auch.
MENSCHLICHES:Hier gibt es genauso interessante Unterschiede, wie man sie findet, wenn man, offen für Eindrücke, anderswohin verreist. Sprachlich geht's, weil zu DDR-Zeiten so individualistische Dinge wie Dialekt verpönt waren, aber
Platt ist wieder etwas im Kommen.
Hervorstechend ist die nahezu abweisende Art, mit der die Mecklenburger Fremden begegnen, um dann um so mehr aufzutauen, wenn man mit ihnen erst mal ins Gespräch kommt. Man kommt sich am Anfang regelrecht verarscht vor.
Bestes Beispiel war meine erste Begegnung mit einem Mecklenburger. Am Bahnhof Waren angekommen, hatten wir (damals noch mit meiner schlechteren Hälfte) eine Menge Gepäck für 2 Wochen Urlaub. Am Bahnsteig gab es zwar Gepäckkarren, aber damit kam man nur zur Treppe der Unter-
führung. So fragte ich ganz in urlaubsmäßiger Freundlichkeit den Fahrdienstleiter, ob ich den Gleisübergang auf Höhe seines Stellwerks benutzen könnte (ohne auch nur Anstalten zu machen, dies eigenständig zu tun).
Die Reaktion war ernüchternd: Wo man da hinkäme, was man auch soviel Gepäck dabeihaben muß usw. usw. Fest entschlossen, mich nicht zu ärgern, schob ich die Fracht zurück zur Unterführung und machte ich mich daran, die
Koffer von der Karre zu nehmen, um sie einzeln durch die Unterführung zu schleppen.
Da kam er wieder raus und raunzte mich erneut an, was d a s denn sein soll. Natürlich können wir den Übergang benutzen, wir müssen nur den nächsten Zug abwarten. Und danach kam er wirklich, machte die Sperre auf und faßte
mit an, um die die Karre rüberschieben. Es kam noch besser: Er half dann, das Gepäck ins Taxi zu laden, wünschte einen schönen Urlaub, wollte nicht mal die Pfandmünze als Trinkgeld behalten
Nein, der hatte keine Macke, die Leute sind dort so (Vorwarnung!). Ein bißchen kenne ich das verzögerte Auftauen auch aus Hamburg (beruflich und aus Verwandtschaftsbesuchen), aber in Mecklenburg ist das schon ex-
trem. Hier mag zusätzlich auch noch ein grundsätzliches Mißtrauen aus der DDR-Zeit nachwirken sowie Umstellungsschwierigkeiten auf den plötzlich einsetzenden Fremdenverkehr in der bisher sehr ruhigen Gegend.
Ähnlich ging es uns in einem Restaurant in Slate (Jägerhaus, gibt's leider nicht mehr). Der DDR-Stil der Einrichtung ("Plaste"-bezogene Sperrholzsitze auf Chromfüßen usw.) ließ uns schon stutzen, und die Wirtin gab uns fast den Rest.
Speisekarte mündlich auf Nachfragen:
hammanich-
hammanich-
hammanich-
hamma.
OK, bestellt.
Essen vorzüglich.
Frage nach der Toilette: "Da hinten, sieht man doch!"
Ebenso freundlich "bat" ich dann um die Rechnung, um bald gehen zu können.
Dann die Frage, ob irgendwas nicht recht war *stutz*. Wahrheitsgemäß lobte ich das Essen, dann kam das Angebot einer Runde Korn, dann die Frage, ob wir mit dem Schiff unterwegs wären, und schon war der dicke Eispanzer gebrochen. Kurzum, wir blieben bis in die "wee hours", erfuhren die interessante Geschichte des Lokals aus der Zeit der Konsum-Genossenschaften, also noch vor dem 3. Reich, und vieles über das Leben in der Ex-DDR. Gezahlt haben wir nur einen Teil der Getränke.
Solche Wechselbäder erlebt man auch bei den (noch vorhandenen) Schleusenwärtern, was beim oberflächlichen Beobachter den Eindruck der Unfreundlichkeit hervorruft. Gibt man sich damit (un-)zufrieden, ist man schnell durch die Schleuse . Gibt man sich als "Kollege" zu erkennen, dauert es länger, aber dafür kennt man hinterher die Schleuse in allen Einzelheiten. Nach einem fast einstündigen Kurs konnte ich die riesige Seitenventil-
schleuse Bobzin nicht nur bedienen, sondern notfalls auch nachbauen.

Zum Abschluß noch eine Anekdote zum Thema Mecklenburger Menschen:
In Waren kaufte meine schlechtere Hälfte -noch zu DM- Zeiten- eine Aaalsemmel. Fremdsprachen muß man können, meinte sie, also verlangte sie ein "Aalbrötchen". Auf dem Rückweg war's mir auch danach, ich verlangte aber selbstbewußt eine "Aalsemmel". Bekam ich auch- sie war nur eine Mark teurer

Da hätte man sich natürlich ärgern "müssen" - aber mal ehrlich, wo ist so ein guter Witz für 0,50 € zu haben ?
Soviel dazu. Ehrlich gesagt, irgendwie mag ich die Leute dort. Mir ist diese Art lieber als ein in irgendeinem Tourismusseminar antrainiertes Dauergrinsen oder serviles floskelhaftes Gewäsch ("Guten Tag, mein Name ist ... was kann ich bitte für Sie tun ?" – GRRRRRRRR! )
FETTNÄPFCHEN:KEIN solches ist, über Feldwege auf Privatgrund zu gehen. Diese Macke haben nur die Iren.
ABER: Man sollte zurückhaltend sein, Privathäuser allzu gründlich zu fotografieren. In der Anfangszeit der Wiedervereinigung kamen nämlich viele Wessies bzw. deren Anwälte, um Besitzansprüche von 1945 anzumelden. Meist ging das mit so einer Fotodokumentation los. Das hätte ich auch nicht haben wollen.
UND: Keine Aussagen mit dem Unterton wie schlecht / gut es den Leuten doch in der DDR gegangen sei bzw. jetzt geht. Offene Fragen werden jedoch gerne beantwortet. Auf diese Weise habe ich mehr erfahren, als aus Zeitungen und Büchern.
Noch etwas findet Ihr unter:
http://iwn.iwai.ie/v30i3/eastgermany.PDF