Hallo Irlandfreunde,
In diesem doch eher spezialisierten Forum geht es nicht um jene Art frühpubertärer Faszination, die pferdevernarrte Girlies behaupten lassen, dass Irland ihre Bestimmung ist, sie unbedingt hinmüssen, aber zuvor noch wissen wollen, ob man dort auch mit Euro zahlen kann.
Es geht auch nicht um jene abgeklärte Erhabenheit, die manche an den Tag legen, Irland als ein Land wie jedes andere sehen oder gar alles Sch….(lecht) finden.
Es geht um alle in diesem Forum, die durchaus andere Länder gesehen und genossen haben und doch immer wieder kommen.
Also, Faszination Irland – warum?
Um jeden Streit über Geschmacksfragen auszuschließen: Das ist meine persönliche Einschätzung.
Irland ist anders.Als?
Nun, anders als die gewohnte Umgebung. Wer das nicht als interessant, anregend empfindet, ist arm dran. Sicher kann man das - von den hier zahlenmäßig etwas unterrepräsentierten Bewohnern Liechtensteins und Monacos mal abgesehen - auch im eigenen Land finden (und sollte es auch suchen!)
Aber Irland ist „mehr anders“. Eine andere Kultur, andere Geschichte, andere, aber doch etwas bekannte Sprache……richtig:
Wenig Sprachschwierigleiten Englisch wird in deutschsprachigen Ländern als häufigste Fremdsprache gelehrt. Wer aus dem Osten Deutschlands stammt, hatte vielleicht nicht die Gelegenheit, perfektes Englisch zu erlernen, aber Bürger der USA haben das gleiche Problem

und kommen in Irland auch zurecht.
Und was ist mit England, Australien und vielen anderen Ländern Europas und der Welt, wo man mit Englisch – als Fremdsprache für beide Seiten - auch gut durchkommt? Da wird die Wahl etwas enger:
Irland liegt in der Nähe und ermöglicht unkompliziertes Bootfahren. Das wiederum trifft nur noch auf England zu, ein Reiseziel, das mir auch durchaus erstrebenswert erscheint. Allerdings ist man hier rein auf Kanalfahrt beschränkt; im englischen Stammland zumindest gibt es keine großen Seen wie in Irland. Bei Irland kommt auch noch eine einzigartige Musikkultur dazu (Nein, damit sind nicht eine CD „Memories From Ireland „ gemeint, die im Flughafen für maßlos überteuerte 9,98 € erstanden werden kann.)
Übrigens, unkompliziert:
„Obrigkeits“-Verständnis, vor allem im Gegensatz zu Deutschland
Nehmen wir nur mal das Thema Musik im Pub. In Deutschland braucht man da eine besondere Genehmigung nach Paragraph soundso des Veranstaltungs-, Gaststätten- und Miesepetergesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Feiertagsverordnung und des Instrumentenentkeimungsgesetzes. Nach 2200 Uhr ist die Genehmigung des Bundespräsidenten erforderlich.

In Irland spielt man einfach drauflos; mag auch in irgendeinem windschiefen Ordner ein diesbezügliches Gesetzesblatt seinem Verfall entgegengilben.
Ein deutscher Controletti würde, mit Ärmelschoner und Flammenschwert bewaffnet, solch liederlichem Treiben ein schnelles Ende bereiten.
Vorausgesetzt, er fällt nicht in Ohnmacht, wenn er in selbigem Pub einen Kühlschrank erblickt, in dem gesetzeswidrig Getränke und Speisen –igittigitt- zusammen gelagert werden. Letzteres Verbot kann nur einem Kleingeist eingefallen sein, nachdem er, betäubt vom Dunst seiner im Halbschlaf abgegangenen Blähungen, mit dem Kopf auf die moosgrüne (RAL 6005) Schreibtischunterlage knallte.
Zuweilen braucht es nicht mal einen Cotrolletti, weil so manch Deutscher schon einen kleinen Polizisten im Hirn eingebaut hat. Erst kürzlich konnte ich das wieder an einer wegen Bauarbeiten voll gesperrten Straße beobachten, wo eine Ampel, warum auch immer, weiter ihr Programm abspulte. Die Hälfte der Fußgänger wartete schön brav, bis für sie grün kam. So ein Volk lässt sich leicht führen.
Wohin?
Irland – NostalgieZumindest, wer in den frühen 90ern Irland kennen gelernt hat, fühlte sich noch an frühere Zeiten im eigenen Land erinnert: Tante-Emma-Läden, Kinder, die man unbesorgt frei umherlaufen lassen konnte, keine Hektik im Straßenverkehr……
…..ist gut, ich hör ja schon auf! Klar, dass das in Irland auch Geschichte ist, aber es trug halt zum prägenden ersten Eindruck bei. Trotzdem führt das unweigerlich zu einem anderen Thema:
KeltentigerEr hat einiges von „unserem“ alten Irland zerstört. Auch manche Illusion, die uns über damals weniger romantische Zustände gnädig hinwegsehen ließ. Irland ist, was Bauwut, Hektik und Geldgier anbetrifft, europäischer geworden. Am deprimierendsten für jene, die das heutige Irland mit dem Irland Heinrich Bölls vergleichen, das sie nie erlebt haben.
Auf dem Boden der Tatsachen betrachtet und mit unserem eigenen Herkunftsland verglichen, findet sich reichlich Trost: Was sind schon ein paar Siedlungen in 1A – Lage am Wasser, wenn man bei uns kilometerweit hinter abgesperrten Privatgrundstücken am Seeufer entlangwandern muß? Sind über die Landschaft verstreute Neubauruinen im Land der vielbesuchten Alt - Ruinen so viel hässlicher als ein bei uns mitten in die Landschaft gepflanzter fensterloser Betonklotz namens „Shopping - Center“ nebst hektargroßen Parkplatz?
Skipper sind auf der Suche nach dem ländlichen, geruhsamen Irland ohnehin im Vorteil. Ihre Wege sind alte Kanäle und natürliche Flüsse und Seen, die geographischen Gegebenheiten angeglichen sind. Einst waren sie die Hauptverkehrswege Irlands, nun sind sie in ihrer Bedeutung längst von den topographisch unabhängigeren Straßen als Verkehrs- und Siedlungsachsen abgelöst worden. Das heißt, mit dem Boot findet man viel mehr Orte, die zwar ihre damalige Bedeutung verloren haben, dafür aber von manch ungünstiger Entwicklung verschont blieben. Rooskey, Dromod, Belturbet, Robertstown, Vicarstown mögen als Beispiele dienen.
Es wird unsachlich.Nach soviel Sachargumenten noch eine Frage: Wollen wir denn wirklich alle unsere Vorlieben rational(istisch) erklären können? Was spricht für Bach, Picasso, Goethe, Joan Baez, C.D. Friedrich, Mozart, Lenz, Uriah Heep, was dagegen?
Brauchen wir neben unserer real existierenden Welt nicht auch etwas Scheinwelt, Vorlieben, Schwärmerei?
Gut, es gibt Grenzen, jenseits derer Fanatismus beginnt.
Aber wer Scheinwelt, Vorlieben, Schwärmerei ganz aus seinem Leben verbannt, ist ein armer Tropf.
In diesem Sinne:
Ireland Forever! (auch wenn es noch andere schöne Länder gibt)
bádoir