Shannon-Forum

Autor Thema: (Boots-) Urlaub im Winter?  (Gelesen 4446 mal)

Offline bádoir

  • Verified User
  • VIP Member
  • *****
  • Beiträge: 3071
  • Irland sehen- und leben!
    • http://www.dazukommichn.ie
(Boots-) Urlaub im Winter?
« am: 29.12.2011, 12:27 »
Hallo zusammen,

Bevor mir nun ein besorgter Leser diskret die Kontaktdaten eines fähigen Neurologen zukommen lässt, sage ich gleich mal: Der letzte Winter  (2010/11) in Irland soll aus dieser Betrachtung  ausgeklammert sein.

Der vorletzte (2009/10) auch.

Es geht um die Winter zuvor, wo für alle, die im kontinentaleuropäischen Flachland leben  oder leben müssen, die Landschaft eintönig grau und staubig ist, wenn nicht Dauernieselregen den Staub zu einer zähen Masse bindet. Das einzige Weiß, das das Auge erfreut, ist dichter Nebel, der sich so etwa bis 1400 Uhr hält. (Deshalb hat man hier in meiner  Gegend auch einen Flughafen gebaut. Als man den Fehler einsah, hat man ihn nach Franz Josef Strauss benannt).

So entfloh ich schon oft über die Weihnachtsfeiertage nach Irland, wo wenigstens alles grün war, sogar abgestorbene Bäume, derer sich der Efeu bemächtigt hat. Der Ginster fing an zu blühen, die Rotkehlchen sangen- es war einfach schon ein Vorgeschmack auf den Frühling, der hier noch mindestens 3 Monate entfernt war. Hin und wieder gab es auch Schnee, aber das hatte gerade seinen besonderen Reiz, die gewohnte Landschaft im weißen Gewand zu sehen.

Als es wieder mal soweit war und  ich in Ballyconell in die R199 einbog, konnte ich mir einen Abstecher zum Anleger nicht verkneifen. Und da lag doch tatsächlich eine schöne Barge, der Kamin rauchte und aus dem Inneren schien  heimeliges Licht heraus.  Das schien mir nun mindestens so attraktiv wie das Ferienhaus, das auf mich wartete. In Ballinamore sah ich dann, dass die Schleusen ganz offensichtlich eingeschaltet  waren.

Da reiften natürlich Pläne für das nächste Jahr. Als IWAI – Mitglied lese ich auch die vierteljährlichen „Waterways News“ und wusste von daher schon, dass die Einheimischen teilweise auch im Winter (auf eigenem Kiel) unterwegs sind.

In diesem Urlaub gab es zunächst mal mit dem Auto auch Abstecher an den Erne und Lough Garadice, wo ich ein paar solcher Unentwegter traf. Klar, dass ich mich da informierte. Als erstes kam heraus, was ich schon ahnte: Barrow und die Flussstrecken vom Shannon sind wegen Hochwassers tabu. Aber auch die großen Seen verlangen Revierkenntnis und gewissenhafte Navigation, weil die gewohnten Uferlinien wegen des Wasserstands nicht sichtbar sind; manche Marker spitzen nur noch  knapp über die Wasseroberfläche und sind so nur im letzten Moment zu sehen.  Gut zu befahren sind aber die Kanäle, und, wenn man weiß, wo es auf den übersichtlichen Seen lang geht, auch die Shannon – Erne – Wasserstraße.

Und das Wetter? Nun, wir wissen, es ist wendisch. Bis vor zwei Jahren konnte man im Winter Tagestemperaturen bis 15 °C und Nachttemperaturen  von etwa 5°C haben, Wetterbedingungen also, wie man sie in der Nebensaison durchaus auch antreffen kann und die einem schönen Urlaub nicht entgegenstehen. Allerdings weiß ich aus eigener Anschauung vom Ferienhausurlaub, dass das Wetter im Winter auch mal für ein paar Tage so sein kann, dass man, -äh---,  auf geeignete Kleidung angewiesen ist; im Boot aber schlicht und einfach still liegen würde (so still, wie es der Schwell an einem noch so geschützten Anlieger zulässt).  Dann kann im ungünstigen Fall auch morgendlicher Reif Bootsdecks, Anleger und Schleusen rutschig machen.

Aus diesen Gründen hätte  es auch noch nie Sinn gemacht, eine ganze Woche oder gar mehr vorauszubuchen. Einzig gangbarer Weg wäre gewesen,  ein Ferienhaus in der Nähe eines Vermieters (nach vorheriger Absprache) zu nehmen, und sich dann spontan bei gutem Wetter für 2-3 Tage aufs Wasser zu begeben.  Da hatte ich schon konkrete Pläne, die sich aus anderen Gründen zerschlugen.

Aber nach den letzten beiden Wintern (2009/10 und 2010/11) ist das alles hinfällig. Aufgrund der Schäden, die der Frost verursachte, macht auch der letzte Vermieter seine Boote sorgfältig  winterfest und hat kein Interesse, wegen ein paar Tagen die ganze Prozedur zu wiederholen. Aus diesem Grund ist das Thema Bootfahren im Winter für Chartergäste erledigt.


Durchaus empfehlenswert ist aber, mal auch im Winter Urlaub in einem Ferienhaus zum machen.  Sucht man sich einen günstigen Ort aus, kann man mit dem Leihauto (Bedingung!) schöne Ausflüge in Gegenden machen, die dem Skipper unerreichbar sind.  Abends geht es dann zurück ans Kaminfeuer, das im Sommer ja doch nur als Show brennen würde.  Anders als in Touristengegenden am Mittelmeer sind in Irland im Winter die Bürgersteige nicht hochgeklappt, das heißt, Pubs und Läden für den täglichen Bedarf stehen uneingeschränkt zur Verfügung.  Nach den Weihnachtsfeiertagen bis Dreikönig (für Ketzer und Häretiker: 6. Januar  ;)) ist livemusikalisch jede Menge geboten; für tourifreundliche Gassenhauer kann allerdings nicht garantiert  werden.



TIPPS für den Fall, dass Ihr das mal vorhabt:

1.  So ein Urlaub soll nicht als Ersatz für Bootsurlaub angesehen werden, sondern als zusätzliche Möglichkeit, andere Facetten Irlands kennenzulernen. 3 Wochen Boot in der Mitte des Jahres  und 10-14 Tage Ferienhaus im Winter  sind ideal.

2. Wählt ein Ferienhaus, von dem aus Pubs und möglichst auch ein Laden zu Fuß erreichbar sind. Im Pub mag man ja auch nicht nur Wasser trinken,  und wenn es auf irischen Straßen mal glatt ist, wird nicht so schnell gestreut.

3. Nehmt für nächtliche Fußwege helle Kleidung mit; ersatzweise taugen auch Warnwesten für den Ersten und Letzten in der Reihe. (Eine liegt im Auto, eine zweite gibts für wenig Geld in der Tankstelle)

4. Beschränkt Euch nicht auf eine doppelt gefütterte Super-Outdoor-Multifunktionsjacke, auch etwas leichteres ist bei Frühlingstemperaturen von Vorteil.

5. In Irland sind wegen der nördlichen Lage im Winter die Tage relativ kurz. Das muß in der Ausflugsplanung berücksichtigt werden. Aber warum sich nicht mal in der nächsten Stadt mit Büchern und CDs eindecken und sie vor dem Kaminfeuer genießen? Und, wie gesagt, die Pubs haben auch offen.

6. Aus demselben Grund  (nördliche Lage) steht die Sonne im Winter sehr flach, so flach, dass sie von der Sonnenblende im Auto nicht abgedeckt wird. Das kann bei nasser Straße lästig sein, also die Ausflüge so planen, dass man nach Möglichkeit nicht längere Zeit gegen die Sonne fahren muß.

7. Geht nicht davon aus, dass um diese Zeit am Flughafen nichts los ist.  Im Gegenteil,  wegen der Auslands-Iren, die über die Feiertage heimkommen, ist eine Menge los, mehr als manchmal in der Sommersaison. Dublin ist in der ersten und zweiten Januarwoche proppenvoll,  in Belfast habe ich das nicht so erlebt, vielleicht habe ich auch nur Glück gehabt. Also beim Rückflug mehr als  rechtzeitig am Flughafen sein!

8. In den Weihnachtsfeiertagen selbst  ist in den Pubs nicht viel los; es gibt  eher  private Feiern in Hotels, die für uns uninteressant sind. Besser ist eine Anreise am 26. oder 27. Dezember.

9. Sylvester wird auch öfters  in Hotels gefeiert. Aber viele bleiben auch daheim.  Unvergesslich ist mir eine Art mitternächlicher Stehparty der Daheimgebliebenen in der Ortsmitte von Rossinver Co. Leitrim, die dadurch ausgelöst wurde, dass wir unser Ferienhaus und den Garten mit Wunderkerzen schmückten. Bei Temperaturen deutlich über 10 °C dauerte das Ganze ziemlich lange.  :)

10 Auch ohne Anlaß sollte  man  es sich gut gehen lassen. Montiert man irgendein Gitter aus dem Backofen in den Kamin, hat man einen schönen Grill. Lachs oder die Zutaten des Irish Breakfast können im frisch nachgelegten Torf erst vorgeräuchert werden, bevor die durchkommende Glut  das Ganze grillt. Lecker!


Grüße und fröhliches Planen!

bádoir

Im Anschluß noch ein paar Impressionen in Bildern.
« Letzte Änderung: 29.12.2011, 12:39 von bádoir »