Hallo Gemeinde
Irgendwie war Panta Rhei´s Idee mit den Lästerstories ja ganz gut, aber sie führt naturgemäß leicht
aufs Glatteis. Aber wie wär's, Stevie, wenn man eine Ecke für lustige/merkwürdige/abenteuer-
liche Geschichten einrichten würde?
Ich meine jetzt nicht das übliche Seemannslatein, sondern Geschichten, bei denen man Laien
gegenüber eher was weglassen muß, um glaubhaft zu wirken, kurzum, Geschichten, wie sie nur in
Irland passieren können.
Also, ich fang schon mal an (Stevie kann's ja noch verschieben):
"Der Wächter von Kildare" oder: "Waterloo in Robertstown"
Für empfindsame Gemüter muß ich vorausschicken, daß ich Tiere mag.
Ich mag auch Hunde.
Und ich mag auch irische Hunde.
Vorausgesetzt, sie leben so weit von Kanälen, Schleusen und Anlegern weg, daß sie diese aus
eigener Kraft nicht heimsuchen können.
Sobald er nämlich ein Charterboot zu sehen bekommt, verwandelt sich der treue Freund des Men-
schen schlagartig in eine monströse, leinenverpissende Kläffratte, die selbst auf einem mit
Klabautermännern besetzten Fliegenden Holländer die Panik ausbrechen ließe.
Mit einfacheren Worten: Die Viecher nerven!
Doch EINMAL, einmal nur in meinem langen Skipperleben, habe ich volle Genugtuung erfahren.
Und das kam so:
Ihr kennt doch die wunderschöne Anfahrt durch Binn's Bridge nach Robertstown, wo das restau-
rierte Kanalhotel in der Abendsonne leuchtet und das nicht minder interessante Nachbarhaus
auf durstige Seeleute wartet. Lange bevor der Keltentiger hier Reihenhäuser und schmiedeei-
serne Kandelaber errichtete, standen hier halb verfallene Lagerhäuser und Lampen auf Holzma-
sten, die nichtsdestowewniger alle mit am Mast aufgehängten Blumenkörben geschmückt waren.
Und in dieser Idylle hauste ein gar schreckliches Ungeheuer, eben der Wächter von Kildare,
der des Seemanns Trommelfell aufs äußerste strapazierte. Und wenn sich der Skipper dann in
der Ruhe des Pubs erholte, sorgte er in der Zwischenzeit dafür, daß die Festmacherleinen
selbst bei einem Dauerhoch über Irland stets naß blieben.
Aber zurück zum lautstarken "Begrüßungs"ritual. Der von mir eingangs so liebevoll beschriebe-
ne Vierbeiner war da immer in einem Zwiespalt. Er mußte den eindringenden Skipper, rückwärts
gewandt, im Auge behalten und vollkläffen, andererseits mußte er vorausstürmen, um seine
Überlegenheit gegenüber der seefahrenden Zunft zu demonstrieren. Und das zwischen den erwähn-
ten Lichtmasten......
Der Rest sei lautmalerisch erzählt:
Waffwauwaugrrrrradaukläffgrrrblaffgrrwauwau! BOOOOIIING!!!! QUIIIIIIIEK!!!!
Der Rest war Stille.
Nach einer gewissen Zeit kam er wieder auf die Beine, schüttelte die herabgerieselten Lobe-
lienblüten aus dem Fell, und trollte sich schweigend heim, um Frauchen um ein Anadin anzubet-
teln. Zurück blieb ein sich im Lachkrampf windender Steuermann.
Doch Ihr braucht nun nicht gleich Eure Reisepläne über den Haufen schmeißen, um den dümmsten
Hund von Irland zu sehen. Er weilt nicht mehr unter uns. Wie ich im Mullaney's erfahren habe,
hatte er noch eine andere, unter irischen Hunden gar nicht so seltene Marotte. Er war ein so-
genannter "tyre eater", ein Reifenbeißer, wie man bei uns sagen würde. Damit bezeichnet man
in Irland Hunde, die die Angewohnheit haben, sich von in Betrieb befindlichen Autoreifen zu
ernähren.
Einmal stieß ihm nun so eine Mahlzeit - seine letzte übrigens - so heftig auf, daß er spontan
zu einem Mitglied der Gattung der Platthunde (Canis planus) mutierte. Und diese Gattung
zeichnet sich ebenso wie die entfernt verwandte Gattung der Plattfische durch eiserne
Schweigsamkeit aus.
Durch diese wundersame Wandlung kam er vielleicht doch noch in den Hundehimmel und träumt
dort von zwischen den Lefzen zerfetzten Town Stars, in der Mitte durchgebissenen Kanalbooten
und von mit Hundeurin durchtränkten Dreiviertelzoll - Leinen.
Und wenn Du mal in diese Gegend konmmst, Skipper, und es gluckst und blubbert hinter Dir ganz
laut, dann bist Du entweder zu schnell unterwegs, oder es ist der Geist des Wächters von Kil-
dare.