An alle Neulinge: Lasst Euch durch solche Abenteuermeldungen nicht abschrecken
Richtig!
Was aber tun, wenn's denn doch mal so kommt???Beispiel:
Startpunkt >> Castle Caldwell
Ziel >> Tully Castle
Wind bei Abfahrt >> ca. 3 Bft aus Nord, also in Zielrichtung von links nach rechts bzw. Backbord nach Steuerbord
Fahrtdauer >> ca. 1,5 Stunden
Wetter >> strahlender Sonnenschein, hervorragende Sicht, nur irgendwo in östlicher Richtung wird der Himmel etwas dunkler
Du denkst: Wetter super, Wind OK, und vom dunklen Himmel im Osten krieg ich eh nix mit, der Wind kommt ja aus Nord, und da ist es schön... Also Abfahrt!
Die erste halbe Stunde geht alles prima. Der Wind wird zwar etwas stärker, aber du denkst 'Alles im Griff'.
Dann hast du den Marker 61A passiert.
Die Sicht ist prächtig.
Im Fernglas siehst du den Jetty von Magho, und auch die White Cairns von Boa Island und Inishmakill.
Nur der Himmel in Richtung Castle Archdale wird immer dunkler...
Egal, denkst du, no problem.
Der Wind wird stärker, die Wellen werden höher und kommen immer kräftiger von der Backbordseite, das Boot fängt an zu schaukeln.
Mutti, die unter Deck verzweifelt versucht, ihr Buch zu lesen, will, dass du "ruhiger" fährst.
'Tse, Frauen', denkst du und schüttelst heimlich mit dem Kopf, 'Kreuzen wir halt, dann wird das Boot nicht so hin und her gerissen'.
Zum Kreuzen weichst du vom Zielkurs ab und nimmst Kurs auf die Cliffs of Magho. Den Jetty hast du schon rechts liegen gelassen. Du bist jetzt mitten drauf auf dem See, umzingelt von den berüchtigten 'White Horses'.
Die Wellen sind einen guten Meter hoch, tragen dich aber weich Richtung Küste.
Gut 300m vor Land drehst du das Boot über Backbord, zwei Wellen von links schütteln dich, das Boot und die Mannschaft unter Deck kräftig durch.
Aber dann hast du Wind und Wellen von vorne. Dein Schiff bohrt sich in die nächste große Welle, Gischt schießt über den Bug und das ganze Boot. Und da kommt schon die nächste große Welle...
Blind greifst du nach der Flasche Jameson, die sich rechts in dem Staufach neben deinen Füßen befindet, nimmst mit zittrigen Fingern einen satten Schluck aus der Pulle und rufst laut 'Yippiayeaaahh, Schweinebacke'.
Der Wind von vorn wird noch stärker und die Wellen noch ein Stück höher.
Die Restmannschaft unter Deck hat die Nase schon voll und ruft von unten, dass man jetzt sofort nach hause will!
Zwischen zwei großen Wellen schaust du dich um und siehst, dass sich kein anderes Boot auf dem See befindet.
Und verdammt, jetzt ist der dunkle Himmel aus dem Osten schon ziemlich nah gerückt.
Jetzt fängts auch noch an zu regnen.
Du wendest das Boot über Steuerbord und aus dem Bootsinneren hörst du das Geräusch von splitterndem Geschirr, während das Boot kräftigst durchgeschüttelt wird.
Aber als die Wellen endlich wieder von hinten kommen, beruhigen sich deine Nerven leicht.
Bei dem Gedanken aber, gleich wieder wenden und den Wellen frontal die Stirn bieten zu müssen, wird dir zunehmend flau im Magen.
Das windgeschützte Tully Castle ist bestimmt noch eine halbe Stunde entfernt, die Landzunge noch nicht in Sicht.
Apropos Sicht: Der Himmel um dich herum ist jetzt tiefschwarz. Starkregen prasselt unablässlich auf dein Boot.
Von den White Cairns, die sich irgendwo in der Ferne rechts (Einfahrt nach Belleek) und links (Inishmakill) befinden müssten, ist absolut nichts zu sehen.
Aber viel schlimmer noch: Du siehst auch das Land (Cliffs of Magho), das sich eigentlich in ein paar hundert Metern vor dir befinden müsste, nicht mehr.
Nur eine undefinierbare dunkle Masse, die sich schemenhaft, bedrohlich und himmelhoch vor dir aufbaut.
Und nu 
Wie weit kannst du dich noch von den Wellen tragen lassen, bis dein Boot irgendwo auf einen Felsen kracht?
***
Wer jemals in eine solche Situation kommen sollte, dem sei folgender Tipp gegeben:
Stell dein Boot in jedem Fall
gegen die Welle und gib soviel Gas, dass dich Wind und Welle nicht seitlich wegdrücken können und du weiterhin Schub voraus hast.
Bei den motorschwachen Charterbooten ist das dann womöglich fast Vollgas. Aber drück den Hebel nicht zur Gänze auf den Tisch, weil sich dadurch dein Heck nur noch mehr absenkt.
Unterlass das Kreuzen, solange du nicht genügend siehst. Du weist schließlich gar nicht richtig, wohin du überhaupt kreuzst...
Fahr lieber so lange voraus und immer gegen die Welle, bis du das gegenüber liegende Ufer erreichst. Im obigen Fall hieße das, noch einmal komplett über den See auf die Boa Island Seite. Wenn der Wind dort dann immer noch aus Nord kommt (also ablandig weht), werden die Wellen - je näher du an Land kommst - immer kleiner. Und dann kannst du nach rechts oder links weg fahren.
Warte ansonsten ab, bis das Schlechtwetterfeld vorüber gezogen ist, du wieder genug siehst und du deinen Kreuzkurs wieder aufnehmen kannst.
Auch wenn's schwer zu verstehen ist, aber es ist sicherer gegen die Welle aufs offene Wasser zu fahren, als 'nah beim Ufer zu bleiben' (weil man da im Notfall nicht so weit schwimmen müsste).
Bei schlechter Sicht und starker Welle ist das Ufer dein Feind!Und wie schon gesagt: Mindestens ne Handbreit Wasser unterm Kiel, und alles ist bestens

paolo